tag:blogger.com,1999:blog-83149559259636472502024-03-13T13:55:25.046+01:00Jeder zweite BerlinerDeutsches Kulturforumhttp://www.blogger.com/profile/08400942810741244277noreply@blogger.comBlogger44125tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-89262355396190261712012-04-05T13:33:00.012+02:002023-03-10T12:11:01.596+01:00Buchpräsentation »Jeder zweite Berliner. Schlesische Spuren an der Spree« am 18. April 2012 im Roten Rathaus Berlin<span style="font-family: georgia; font-size: medium;">In ihrem letzten Beitrag an dieser Stelle vor gut einem Jahr kündigte Roswitha Schieb das Erscheinen des Buches <i>Jeder zweite Berliner. Schlesische Spuren an der Spree</i> an. Nun ist es soweit, am <b>Mittwoch, d. 18. April 2012</b>, wird das Buch aus dem Verlag des Deutschen Kulturforums östliches Europa im Berliner Roten Rathaus zum ersten Mal präsentiert. Roswitha Schieb wird mit zahlreichen Lichtbildern ihre Arbeit vorstellen; das Salonorchester <i>Berliner Melange</i> umrahmt die Veranstaltung musikalisch durch Stücke von Berliner Komponisten, die aus Schlesien stammten.<br /></span>
<span style="font-family: georgia; font-size: medium;"><br />
Weitere Informationen zur Veranstaltung finden Sie auf der Website des Kulturforums: <a href="https://www.kulturforum.info/">► www.kulturforum.info</a><br /></span>
<div><span style="font-family: georgia; font-size: medium;"></span><span style="font-family: georgia; font-size: medium;"> </span></div><div><span style="font-family: georgia; font-size: medium;"><a href="http://issuu.com/Kulturforum/docs/einldg_jeder_2.berliner?mode=embed&viewMode=presentation&layout=http%3A%2F%2Fskin.issuu.com%2Fv%2Fdark%2Flayout.xml&showFlipBtn=true&" target="_blank"><span style="color: #0b5394;">► Flyer öffnen</span></a></span></div><div><span style="color: #666666; font-family: georgia; font-size: small;">unter issu.com</span></div><p></p>Deutsches Kulturforumhttp://www.blogger.com/profile/08400942810741244277noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-71732821699323353292011-02-28T10:00:00.000+01:002023-03-10T12:08:02.621+01:00Schlesische Spuren<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><span style="font-size: medium;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/-paW4Tm-mrEY/TWtiB1rLHsI/AAAAAAAAAIg/f15bDch3tsg/s1600/Blog%2B43%2BWappen%2BGleiwitz%2BCopyrigt%2BBarbara%2BGafert.JPG" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" style="font-family: georgia;"><img alt="" border="0" height="400" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5578660347156045506" src="http://4.bp.blogspot.com/-paW4Tm-mrEY/TWtiB1rLHsI/AAAAAAAAAIg/f15bDch3tsg/w300-h400/Blog%2B43%2BWappen%2BGleiwitz%2BCopyrigt%2BBarbara%2BGafert.JPG" style="cursor: pointer; float: right; height: 320px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 240px;" width="300" /></a></span></td></tr><tr align="right"><td class="tr-caption"><div class="MsoNormal" style="line-height: 200%;"><span style="font-size: small;"><span style="font-family: georgia;">Das Wappen von Gleiwitz
<span> </span></span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 200%;"><span style="font-size: xx-small;"><span style="font-family: georgia;"><span>Foto: © Barbara Gafert</span></span></span></div></td></tr></tbody></table><div class="MsoNormal"><p style="text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Im Innenhof des Rathauses Wilmersdorf am Fehrbelliner Platz befinden sich 27 Mosaik-Wappen »ehemals ostdeutscher Länder und Städte«, die der bereits erwähnte schlesische Künstler Peter Ludwig Kowalski für die alte Hohenzollernbrücke anfertigte. Als die Brücke der Stadtautobahn weichen musste, wurden die Wappen 1957 im Innenhof des Rathauses Wilmersdorf angebracht. Sieben Wappen von schlesischen Provinzen befinden sich darunter: Niederschlesien, Breslau, Liegnitz, Neiße, Oberschlesien, Gleiwitz, Oppeln. Eine Tafel von 1992 erläutert unaufgeregt den Umgang mit den historischen Bezügen:</span></p><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;"><span><a name='more'></a></span></span></div>
<blockquote><div class="MsoNormal"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Die wieder gegründeten Länder Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen sowie die Stadt Frankfurt an der Oder gehören seit dem 3. Oktober 1990 zur Bundesrepublik Deutschland. Die anderen früheren Länder, Provinzen und Städte liegen heute in Polen, Litauen und der Republik Russland. Die Länder und Provinzen existieren nicht mehr als Gebietskörperschaften. [...] Mit diesen Wappen werden keine Ansprüche verbunden. Sie erinnern an einen Teil der deutschen und europäischen Geschichte.</span></div></blockquote>
<div class="MsoNormal"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Diese Tafel wirkt vorbildlich: sie ordnet die Vergangenheit historisch ein und trägt den neuen, in der Folge des Zweiten Weltkriegs entstandenen Gegebenheiten Rechung. Sie ist nicht relativistisch und nicht revisionistisch. Sie sagt in nüchterner Weise nichts anderes als: so war es und so ist es nun nicht mehr. Diese Unaufgeregtheit könnte ein Ausweg aus all den zänkischen Grabenkämpfen sein, die das Thema der Vertreibung umstellen – sich dem Neuen gegenüber zu öffnen, ohne das Vergangene auszublenden.</span></div>
<div class="MsoNormal"><p style="text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;"><i>Dieser Blog, der heute endet, wollte – neben Überlegungen zum Heimatbegriff – vielfältige Facetten schlesischer Einflüsse auf Berlin zeigen. Das Buch »Jeder zweite Berliner. Schlesische Spuren in Berlin«, das Ende 2011 erscheinen soll, wird diese historischen Schürfungen, diese Punktbohrungen des Blogs, noch vertiefen, panoramatisch erweitern und an entscheidenden Berliner Dreh- und Angelpunkten festmachen. Es will zeigen, dass die Stadt ohne diese Einflüsse eine ganz andere wäre, nicht nur in Bezug auf ihre Bau- und Kunstwerke und auf ihre Geschichte, sondern auch hinsichtlich ihrer Mentalität. Erklärte Absicht des Buches ist, nicht nur Berlin als einen großen Speicher des ehemaligen Schlesien auszuloten, sondern auch Erstaunen und Freude zu vermitteln über die Vielfalt kultureller und ökonomischer Leistungen einer Provinz, die Berlin wie keine andere bereichert hat.</i></span></p></div>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com3Wilmersdorf, Berlin, Deutschland52.4904703 13.314480224.180236463821153 -21.8417698 80.800704136178837 48.4707302tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-7260675999036994722011-02-24T10:00:00.000+01:002023-03-10T12:07:45.024+01:00Schlesien in der DDR<div class="MsoNormal"><p style="text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">In Ost-Berlin, der Hauptstadt der DDR, gab es keine öffentlichen Hinweise auf die Vertreibungen. Im Gegenteil: es durfte in der dortigen Terminologie nicht einmal von Vertreibung gesprochen werden, sondern nur von Umsiedlung. Die westlichen Vertriebenenverbände wurden als Hort des Revanchismus gebrandmarkt, Vertriebene, die sich in West-Berlin beispielsweise im Park-Café am Fehrbelliner Platz trafen, von der Stasi durch sogenannte Opa-IM's ausgehorcht. 1950 wurde der Schlesische Bahnhof, obwohl die sowjetischen Streitkräfte den Namen 1945 sorgfältig in »Sileskij Woksal« oder »Berlin sileskije« auf den Bahnhofsschildern ins Kyrillische transkribiert hatten, zunächst in Ostbahnhof, dann in Hauptbahnhof umbenannt, die zum Schlesischen Bahnhof hinführende Breslauer Straße in die Straße Am Ostbahnhof. In den Stasi-Akten galt der Status als »Umsiedler« in den fünfziger Jahren als etwa so negativ wie in anderen Akten die Tatsache der NSDAP-Mitgliedschaft – eine unterstellende Verquickung, die bis heute im fast reflexhaften Kurzschluss Vertriebener = potentieller Nazi immer noch wirksam ist. Historisch ist dieser Kurzschluss ungerechtfertigt: betrug bei den letzten Wahlen vor der Machtergreifung die Zustimmung zur NSDAP in bestimmten katholischen Regionen Schlesiens nur 28 Prozent, in Niedersachsen hingegen mancherorts über 60 Prozent – kein Grund also, unterstellend auf Schlesier herabzuschauen.</span></p><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;"><span><a name='more'></a></span></span></div>
<div class="MsoNormal"><p style="text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">In der DDR war das Heimatverbot wirksam, das von Franz Fühmann, wie wir bereits lasen, am Ende seines Lebens als leidvoll und destruktiv beschrieben wurde. Noch stärker als im Westen, wo der Vertriebenenhintergund oft schamhaft verschwiegen wurde, muss das erzwungene Ausblendenmüssen der eigenen Herkunft in der DDR zu kollektiven seelischen Verwerfungen in der Bevölkerung geführt haben. Wer wusste und weiß schon in der DDR und im Westen, dass der berühmte sozialistische Philosoph, profilierte DDR-Dissident und Politiker Rudolf Bahro aus Schlesien stammte? Weder im Osten noch im Westen hat er von der Tatsache öffentlichen Gebrauch gemacht, dass er 1935 im schlesischen Bad Flinsberg geboren wurde. Im Laufe seines Lebens aber ließen sich bestimmte Züge nicht ausblenden, die in Ost und West für Verwirrung sorgten: seine starke Neigung zu Spiritualität, Ordensleben und Mystik (»Unsichtbare Kirche«) und sein Konstrukt eines »Fürsten der ökologischen Wende«. Mit Sozialtheorien, verquickt mit Herrscherlob, wie man sie auch bei Lassalle findet, eckte Bahro in Ost und West an. Vielleicht waren es unbewusste schlesische Züge, die in das kleinere Deutschland nicht mehr passten? Eine Reflexion darüber verbot sich von allen Seiten. Und wer hätte gedacht, dass der ein Jahr zuvor geborene Peter Hacks ebenfalls aus Schlesien, aus Breslau stammt? Nichts wiese darauf hin, vielleicht höchstens die lautmalerischen Seiten in seinen Kinderbüchern, die friderizianische Thematik einiger seiner frühen Dramen »Die Schlacht bei Lobositz« (1956) und »Der Müller von Sanssouci« (1958) sowie sein preußisches Fürstenlob, das er in Zusammenhang mit Walter Ulbricht verbalisieren konnte. Honecker schon war ihm zu aufgeweicht-unpreußisch.</span></p></div>
<div class="MsoNormal"><p style="text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Eine Beantwortung der Frage, ob es typisch schlesische Züge gibt, ist schwierig bis heikel. Dennoch machte sich dieser Blog auf die Suche nach historischem Material, das in Fülle und Überfülle vorhanden ist, um sich einer Antwort zumindest anzunähern.</span></p></div>
<div><span style="font-family: georgia; font-size: medium;"><i>Fortsetzung am kommenden Montag.</i></span></div>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-66289841550674510862011-02-21T09:52:00.006+01:002024-02-02T17:08:05.197+01:00Ewige Flamme<div><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Jedes Mal, wenn ich in den achtziger Jahren mit dem Doppelstockbus um den Theodor-Heuss-Platz herumfuhr, was selten genug vorkam, berührte mich die brennende Schale auf dem Steinblock, der dort aufgestellt war, unangenehm. Ohne auch nur das Geringste über die Bedeutung dieses Denkmals zu wissen, lehnte ich es ab. Die zur Straßenseite hin angebrachten Worte »Freiheit – Recht – Friede« waren in ihrer Allgemeinheit nicht dazu angetan, ein unbewusstes Misstrauen diesem Ensemble gegenüber zu zerstreuen. Die dreibeinige Opferschale ließ meine Assoziationen unmittelbar und ungut zu den eisernen Leuchterreihen des Olympiastadions schweifen. Ein, wie ich meinte, muffiges Pathos stieß mich ebenso zurück wie eine angemaßte Sakralität. Hier war, so dachte ich, falsches Bewusstsein am Werk, etwas Reaktionäres und Restauratives aus den finsteren Anfangsgründen der Bundesrepublik.</span></div><div><p style="text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;"><span></span></span></p><a name='more'></a><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Umso erstaunter war ich, als ich viel später erfuhr, dass es sich bei dem Denkmal auf dem Theodor-Heuss-Platz um ein Mahnmahl gegen Vertreibung handelt. 1955 von den Landsmannschaften der deutschen Heimatvertriebenen auf dem damaligen Reichskanzlerplatz (erst seit 1963 Theodor-Heuss-Platz) aufgestellt, wurde es von Theodor Heuss, dem ersten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, durch das Entzünden der Flamme eingeweiht. Bis zur Wiedervereinigung Deutschlands sollte die ewige Flamme brennen. </span><p></p><div style="text-align: right;"><br /><div style="text-align: right;"><br /><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;"><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/-71gDQ-95ebA/TWIqGpWtYMI/AAAAAAAAAIQ/PFYy65ud9LE/s1600/Blog%2B41%2BTheodor-Heuss-Platz.JPG" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img alt="" border="0" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5576065582306779330" src="http://4.bp.blogspot.com/-71gDQ-95ebA/TWIqGpWtYMI/AAAAAAAAAIQ/PFYy65ud9LE/s16000/Blog%2B41%2BTheodor-Heuss-Platz.JPG" style="cursor: pointer; float: right; height: 202px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 280px;" /></a></td></tr><tr align="right"><td class="tr-caption"><span style="font-size: xx-small;">Foto: © Roswitha Schieb</span></td><td class="tr-caption"><br /></td><td class="tr-caption"><br /></td></tr></tbody></table></span></div></div><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Damit waren in den fünfziger Jahren vermutlich alle drei Teile gemeint, die Bundesrepublik, die DDR und das ehemalige Ostdeutschland »unter polnischer Verwaltung«, denn auch in anderen westdeutschen Städten mahnten Denkmäler dieser Zeit mit Aufrufen wie »Deutschland dreigeteilt – niemals!« Sogar Wolf Biermann singt 1966 in seinem Lied »Die hab' ich satt« natürlich kritisch über »den ganzen deutschen Skatverein, dies dreigeteilte deutsche Land« – eine Wendung, die vielen Hörern heute kaum noch verständlich sein dürfte.</span></div><div><p style="text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Dass die Flamme am 3. Oktober 1990, am Tag der deutschen Einheit, gelöscht wurde, war eine zeittypische Kurzschlusshandlung. Endlich, geradezu erleichtert konnte mit Kriegsfolgen und Nachkrieg abgeschlossen werden, mit einem Mal schienen alle offenen Fragen erledigt zu sein. Doch das Erlöschen der Flamme währte nur zwei Monate: am 10. Dezember 1990, dem Tag der Menschenrechte, wurde sie erneut entzündet und brennt seither unausgesetzt im Sinne der darauf angebrachten Worte »Freiheit – Recht – Friede« auf der einen Seite, und »Diese Flamme mahnt: Nie wieder Vertreibung!« auf der anderen Seite. </span></p><div style="text-align: justify;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;"><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/-Os1_MDJb7Bs/TWIqpekR9NI/AAAAAAAAAIY/4BM0cXLWNpM/s1600/Blog%2B41%2BVertriebenendenkmal%2B2.JPG" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img alt="" border="0" height="462" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5576066180706333906" src="http://3.bp.blogspot.com/-Os1_MDJb7Bs/TWIqpekR9NI/AAAAAAAAAIY/4BM0cXLWNpM/w640-h462/Blog%2B41%2BVertriebenendenkmal%2B2.JPG" style="cursor: pointer; float: right; height: 202px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 280px;" width="640" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;"><span style="font-size: xx-small;">Foto: © Roswitha Schieb</span></span></td></tr></tbody></table></span></div><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Und da brennt sie auch heute an einem stillen Februartag, tut keinem etwas, nimmt keinem etwas weg. Der Verkehr umkreist das Denkmal. Noch ist es kein Ort der Empathie. Aber vielleicht könnte es zu einem allgemeinen, stillen Ort der Trauer werden für alle Menschen, die Vertreibungen und Heimatverlusten ausgesetzt waren und sind, zu einem Ort, an dem die Trauer erlaubt ist. Schlicht und unspektakulär genug ist das Denkmal dazu. Und sinnfällig genug ist es mit der brennenden, dreibeinigen Eisenschale auch, um durch die Kraft einer archaischer Form das Einzelschicksal in ein größeres, und dadurch tröstliches Allgemeines zu überführen – weit entfernt vom Wespennest öffentlichen Streits über das Thema der Vertreibung.</span><span style="font-family: georgia; font-size: medium;"><i> </i></span></div><div><span style="font-family: georgia; font-size: medium;"><i> </i></span></div><div><span style="font-family: georgia; font-size: medium;"><i>Fortsetzung am kommenden Donnerstag.</i></span></div>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-70386383016468073572011-02-17T09:50:00.009+01:002023-03-10T12:08:32.204+01:00Mystisches Glas<div class="MsoNormal"><p style="text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Die Frömmigkeit, die die katholischen Schlesier vor allem aus Oberschlesien mitbrachten, fand im kargen, preußischen Berlin wenig Widerhall. Die östlich geprägte religiöse Inbrunst konnte leicht als Aberglauben missverstanden werden. Schlesische Katholiken, die sich im ausgehenden 19. Jahrhundert in Berlin assimilieren wollten, taten gut daran, ihre Frömmigkeit nur im Schutz ihrer Kirchen und Familien auszuleben. Auch die mystische Tradition, wie sie in Schlesien mit prominenten Vertretern wie Jakob Böhme, Daniel Czepko von Reigersfeld oder Angelus Silesius seit dem 17. Jahrhundert konfessionsübergreifend lebendig war, fiel in Berlin nicht zwangsläufig auf fruchtbaren Boden. Da bedurfte es einiger Umwege.</span></p><p><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;"><span></span></span></p><a name='more'></a><p></p></div>
<div class="MsoNormal"><p style="text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Nach 1945 kamen als Vertriebene auch schlesische Künstler nach Berlin, die ihre Ausbildung in den zehner, zwanziger Jahren an der Breslauer Kunstakademie erhalten hatten. In den meisten Fällen war durch den Krieg fast ihr gesamtes Œuvre vernichtet worden.</span><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;"> </span></p><p style="text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Hier soll uns der Maler Peter Ludwig Kowalski interessieren. 1891 im oberschlesischen Königshütte geboren, erhielt er seine künstlerische Ausbildung an der Breslauer Akademie unter Hans Poelzig. Dem Expressionismus nahestehend schloss er sich freundschaftlich eng an den ebenfalls schlesischen Künstler Otto Mueller an. Romantische Landschaftsauffassung, ja fast Naturmagie und eine auratische Behandlung des menschlichen Körpers zeichneten Kowalskis Werk aus. 1934 wurde er als Leiter der Kunstgewerbeschule in Breslau von den neuen Machthabern abgesetzt, 1945 aus Breslau vertrieben. Seine Arbeiten waren fast restlos vernichtet.
</span></p></div><div class="MsoNormal"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;"><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="http://2.bp.blogspot.com/-6CBLpRIC7Qw/TVzlpil1qCI/AAAAAAAAAIA/cCViVxBjNz8/s1600/Blog%2B40%2BHerz-Jesu-Kirche%2BTegel%2BKowalskifenster.JPG" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}"><img alt="" border="0" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5574582940600739874" src="http://2.bp.blogspot.com/-6CBLpRIC7Qw/TVzlpil1qCI/AAAAAAAAAIA/cCViVxBjNz8/s320/Blog%2B40%2BHerz-Jesu-Kirche%2BTegel%2BKowalskifenster.JPG" style="cursor: pointer; float: right; height: 320px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 242px;" /></a></td></tr></tbody></table>Ab 1948 machte er in Westberlin einen Neuanfang und schuf etliche Glaskunstwerke in sakralen wie profanen Gebäuden. Dazu zählen die Glasfenster im Sitzungssaal des Bundeshauses Berlin und eine Glasschliffwand im Schiller-Theater, über die es lobend heißt, »seine monumentale, figuren- und ornamentreiche Fensterwand im Foyer des Berliner Schillertheaters gibt dem Raum seine große festliche Heiterkeit« (Hugo Hartung, 1967). Bei seinen Kirchenausstattungen arbeitete Kowalski konfessionsübergreifend. So schuf er fünf Rundfenster für die protestantische Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche im Hansa-Viertel, einen monumentalen Fresko-Kreuzweg für die katholische Kirche St. Ansgar ebendort, die Glasfenster der evangelischen Luisenkirche in Charlottenburg sowie die Fenster der katholischen Kirchen St. Rita in Reinickendorf, Herz-Jesu-Kirche in Tegel, St. Elisabeth in Schöneberg, und für die Kapelle des katholischen Studentenwohnheims »Wilhelm-Weskamm-Haus« in Charlottenburg.
All diese Fenster- und Freskogestaltungen zeugen von einer im - schlesischen - Expressionismus wurzelnden Glaubenserfahrung und mystischen Tiefe, die durch die mosaiksteinhaften Formen und glühenden Farben des Glases eindringlich und überzeugend wirken. Übrigens stammen die Glasbausteinwände in der Berliner Philharmonie, der Staatsbibliothek und des Musikinstrumenten-Museums auch von einem schlesischen Künstler: vom Breslauer Alexander Camaro. Das bunte Licht, das in die großzügigen Scharoun-Räume strömt, hat immer auch einen leicht sakralen Charakter.</span></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="http://2.bp.blogspot.com/-7A6OwJraExc/TVzmqUsOiRI/AAAAAAAAAII/xNMQ_zSLOc4/s1600/Blog%2B40%2BPotsdam%2BStibadium%2Bim%2BPark%2Bvon%2BSanssouci.jpg" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" style="font-family: georgia; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img alt="" border="0" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5574584053560936722" src="http://2.bp.blogspot.com/-7A6OwJraExc/TVzmqUsOiRI/AAAAAAAAAII/xNMQ_zSLOc4/s16000/Blog%2B40%2BPotsdam%2BStibadium%2Bim%2BPark%2Bvon%2BSanssouci.jpg" style="cursor: pointer; float: right; height: 234px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 320px;" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"><div class="MsoNormal" style="line-height: 200%; text-align: right;"><span style="font-family: georgia; font-size: xx-small;">Foto: © Wolf Rabe auf <a href="http://www.fotocommunity.de">www.fotocommunity.de</a></span></div></td></tr></tbody></table><div style="text-align: right;"><span style="font-size: medium;"></span></div><div class="MsoNormal"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Und es gab nicht nur schlesische Glaskünstler, sondern auch schlesisches Glas in Berlin. Das meiste wird wohl im Zweiten Weltkrieg zersplittert sein. Aber etwas ist gerettet worden: im Paradiesgarten des botanischen Gartens in Potsdam-Sanssouci ließ König Friedrich Wilhelm IV. ein Stibadium errichten, in dessen offenen Metopenfeldern vierzig weiße, rubinrote, blaue und grüne Glasvasen standen. Diese stammten aus der schlesischen Kunstglasfabrik »Gräflich Schaffgottsche Josephinenhütte« in Schreiberhau. Immerhin sind vierzehn Original-Vasen durch die Verwerfungen des 20. Jahrhunderts hindurch erhalten geblieben, der Rest wurde bei der jüngsten Restaurierung durch Kopien ersetzt. Nun können sie wieder ein farbiges, fast magisches Licht in den kleinen Innenraum werfen, der dadurch zur geradezu mystischen Versenkung und Entgrenzung einlädt.</span></div>
<div><p style="text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium;"><i>Fortsetzung am kommenden Montag.</i></span></p></div>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-34085806491445364402011-02-14T10:00:00.000+01:002023-03-10T12:09:02.189+01:00Widerstand<div class="MsoNormal"><p style="text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Der christliche Widerstand gegen den Nationalsozialismus weist bedeutende Namen aus Schlesien auf. Über das mutige Wirken und Eintreten des aus dem niederschlesischen Ohlau stammenden Domprobsts Bernhard Lichtenberg gegen den Nationalsozialismus werden wir im Buch Näheres erfahren. Dem aus Breslau gebürtigen Pfarrer Joseph Lenzel, der sich für polnische Zwangsarbeiter einsetzte und im KZ Dachau ermordet wurde, waren wir bereits im Zusammenhang mit dem Hedwigsfriedhof 3 in Reinickendorf begegnet. Ebenfalls für polnische Zwangsarbeiter engagierte sich der Pfarrer August Froehlich. </span></p><p><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;"></span></p><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TVErGESV7vI/AAAAAAAAAHw/psFuFE-AD5Y/s1600/Blog%2B39%2BGedenktafel_Alt-Rudow%2BAugust_Froehlich.JPG" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}"><img alt="" border="0" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5571281597263900402" src="http://1.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TVErGESV7vI/AAAAAAAAAHw/psFuFE-AD5Y/s16000/Blog%2B39%2BGedenktafel_Alt-Rudow%2BAugust_Froehlich.JPG" style="cursor: pointer; float: right; height: 234px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 320px;" /></a></td></tr><tr align="center"><td class="tr-caption"><div class="MsoNormal" style="line-height: 200%;"><span style="font-size: small;">Gedenktafel August Froehlich in Rudow
<span> </span></span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 200%;"><span style="font-size: xx-small;">Foto: © www.wikipedia.de</span></div></td></tr></tbody></table><p></p><p style="text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;"><span></span></span></p><a name='more'></a><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Geboren im oberschlesischen Königshütte kam er während der Inflationszeit als Kaplan nach Berlin, wo er einen Großteil seines väterlichen Vermögens und seines Einkommens für notleidende Familien aufwendete. Während der NS-Zeit geriet er mit den Machthabern zunächst durch Verweigerung von NS-Geldsammlungen in der Kirche und des Hitlergrußes aneinander. Nachdem er Misshandlungen von polnischen Zwangsarbeitern zur Anzeige gebracht hatte, wurde er inhaftiert und starb 1942 im KZ Dachau. Eine Straße in Berlin-Rudow ist nach ihm benannt und einige Gedenktafeln an verschiedenen Berliner Kirchen erinnern an seine mutigen Taten.</span><p></p></div>
<table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto; text-align: center;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><p><span style="font-size: medium;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TVExc2BhdMI/AAAAAAAAAH4/5hl8gL_6Rsw/s1600/Blog%2B39%2BGedenktafel_Friedrich_Wei%25C3%259Fler.jpg" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" style="font-family: georgia;"><img alt="" border="0" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5571288585642013890" src="http://4.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TVExc2BhdMI/AAAAAAAAAH4/5hl8gL_6Rsw/s16000/Blog%2B39%2BGedenktafel_Friedrich_Wei%25C3%259Fler.jpg" style="cursor: pointer; float: right; height: 234px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 320px;" /></a></span></p></td></tr><tr align="center"><td class="tr-caption"><div class="MsoNormal" style="line-height: 200%;"><span style="font-family: georgia; font-size: small;">Gedenktafel Friedrich Weißler</span></div><div class="MsoNormal" style="line-height: 200%;"><span style="font-family: georgia; font-size: xx-small;">Foto: © www.wikipedia.de</span><br /></div></td></tr></tbody></table><div class="MsoNormal"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Die wichtigste Figur des evangelischen Widerstands, also der Bekennenden Kirche, war der Breslauer Dietrich Bonhoeffer, der im Buch ausführlicher erwähnt werden wird. Auch Helmuth James Graf von Moltke aus Kreisau, Mitglied des Kreisauer Kreises, gehörte zur Bekennenden Kirche. Er wurde 1945 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Ein weiteres Mitglied des evangelischen Widerstands war der Landgerichtsdirektor Friedrich Weißler aus Königshütte, der als Mitverfasser einer Protestschrift an Hitler bereits 1937 im KZ Sachsenhausen ermordet wurde. Eine Tafel an seinem Wohnhaus Meiningenallee 7 in Berlin-Westend erinnert an diesen unerschrockenen Juristen.</span></div>
<div class="MsoNormal"><p style="text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Ein heute noch recht bekannter Schlesier aus dem Umkreis der Bekennenden Kirche, der das NS-Regime überlebte, war Heinrich Albertz, 1915 in Breslau geboren. Albertz studierte in Breslau, Halle und Berlin Theologie und besuchte illegale Vorlesungen der Bekennenden Kirche. Ab 1939 war er als Vikar in Breslau und in Kreuzburg/Oberschlesien tätig. Ein Fürbitte-Gottesdienst für den im KZ festgehaltenen Pastor Martin Niemöller brachte ihm während des Zweiten Weltkriegs eine Festungshaft in Glatz ein. Nach dem Krieg wurde er niedersächsischer Minister für Flüchtlingsangelegenheiten und Vertriebene. 1955 wechselte er als Leiter in die Senatsverwaltung für Volksbildung nach Berlin, wurde Chef der Staatskanzlei und später Innensenator. Als Nachfolger Willy Brandts wurde Albertz 1966 zum Regierenden Bürgermeister gewählt, trat jedoch nach der Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg während einer Protestdemonstration gegen den Besuch von Schah Reza Pahlevi durch einen Polizisten 1967 zurück. Er lebte bis zu seiner Pensionierung 1979 als Pfarrer in Berlin-Schlachtensee und wurde zu einem der profiliertesten Köpfe der Friedensbewegung. Der Heinrich-Albertz-Platz in Zehlendorf ist nach ihm benannt.</span></p></div>
<div><span style="font-family: georgia; font-size: medium;"><i>Fortsetzung am kommenden Donnerstag.</i></span></div>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-55471015824753866232011-02-10T10:00:00.003+01:002023-03-10T12:09:22.909+01:00Religion<div class="MsoNormal"><p style="text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wuchs im Zuge der Industrialisierung die Bevölkerung Berlins sprunghaft an. Soziologisch gesehen war die Bevölkerungsexplosion vor allem dem enormen Zustrom von Arbeitskräften aus allen Provinzen, bevorzugt aus Schlesien, dem angestammten Berliner Hinterland geschuldet. Da Schlesien konfessionell geteilt war, brachten die Zuwanderer aus Schlesien entweder ihren evangelischen oder katholischen Glauben mit. Für die Protestanten aus Schlesien war es in Berlin einfacher, religiös heimisch zu werden und sich zu assimilieren, da die Stadt protestantisch geprägt war. In vielen bereits existierenden Kirchen und Gemeinden konnten sie sich eingliedern, ja einschmelzen. Sie befanden sich nun im Zentrum der traditionellen preußischen Verquickung von Thron und Altar. Natürlich mussten auch im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert aufgrund des Anwachsens der evangelischen Gemeinden viele repräsentative Kirchenbauten im zeittypisch neoromanischen, neogotischen oder später im expressionistischen Stil errichtet werden. Aber da die meisten älteren und alle ältesten Kirchen der Stadt, die Dorfkirchen, protestantisch waren, wirkten die Neubauten wie organische Erweiterungsbauten auf einer angestammten Glaubensschicht.</span></p><p style="text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;"><span></span></span></p><a name='more'></a><p></p></div>
<div class="MsoNormal"><p style="text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Das sah mit den katholischen Zuzüglern aus Schlesien (und auch aus anderen Provinzen) etwas anders aus: Erst im ausgehenden 18. Jahrhundert war mit der Hedwigskathedrale die erste katholische Kirche in Berlin errichtet worden. Darüber hinaus gab es im 19. Jahrhundert nur wenige katholische Kirchenbauten in Berlin. Erst mit dem anhaltenden Zustrom der Arbeitskräfte vor allem aus Schlesien entstand in Berlin im ausgehenden 19. Jahrhundert eine regelrechte »Kirchennoth«, besonders im schlesischen Viertel in Kreuzberg, aber auch in anderen Stadtbezirken. Dabei waren die Katholiken in Berlin nicht gut gelitten. Spätestens seit dem Kulturkampf unter Bismarck konnten sich die Katholiken in Berlin als Bürger zweiter Klasse empfinden. In dieser Zeit, in den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts, durften katholische Kirchengebäude nicht freistehend errichtet, sondern mussten in die Fassaden der Straßenzüge eingebaut werden. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts lockerten sich diese Bestimmungen und ein regelrechter Kirchenbauboom versuchte, der Kirchennot Herr zu werden.</span></p></div><div class="MsoNormal"><p style="text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">In den geschichtlichen Abrissen beinahe aller, in der Zeit um 1900 errichteten katholischen Kirchen ist von der Notwendigkeit eines Kirchenbaus aufgrund des starken Zustroms schlesischer Katholiken die Rede. </span></p><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;"><table align="center" cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TVEdZVEKB-I/AAAAAAAAAHo/T89LQ9UHI6w/s1600/Blog%2B38%2B10-09%2BSt.%2BMarien%2BLiebfrauen%2BKreuzberg.JPG" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" style="margin-left: auto; margin-right: auto;"><img alt="Kirche in Berlin" border="0" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5571266535022528482" src="http://3.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TVEdZVEKB-I/AAAAAAAAAHo/T89LQ9UHI6w/s16000/Blog%2B38%2B10-09%2BSt.%2BMarien%2BLiebfrauen%2BKreuzberg.JPG" style="cursor: pointer; float: right; height: 320px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 242px;" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"></td></tr></tbody></table><div style="text-align: center;"></div></span><p style="text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Einige Baugrundstücke für katholische Kirchen wurden vom Breslauer Bischof erworben. Viele dieser Kirchen wurden direkt vom Breslauer Fürstbischof Georg Kopp oder seinem Repräsentanten geweiht, unterstand doch Berlin damals noch dem Bistum Breslau. Eigenes Bistum wurde Berlin erst 1930, 1934 dann Erzbistum. In etlichen dieser katholischen Kirchen gibt es schlesische Spuren, von denen hier nur einige Erwähnung finden sollen: so wurden einige Kirchen vom aus Schlesien stammenden Architekten Max Hasak gebaut, etwa St. Sebastian im Wedding oder St. Mauritius in Lichtenberg. Die Altäre in St. Maria am Behnitz in Spandau wurden 1894 von einem Breslauer Kirchenausstatter gefertigt. Die Monstranz und der Kelch der Kirche Zum Guten Hirten in Friedrichsfelde, die beide aus Breslau stammten, wurden durch die Kriegszerstörungen hindurch gerettet, die Orgel aus Neiße aber zerstört. Die Stephanuskirche im Wedding besitzt eine Orgel aus Schweidnitz. Die Fassadeneinfassungen der Herz-Jesu-Kirche am Prenzlauer Berg sind aus schlesischem Sandstein. Am 16. Oktober wird der Namenstag der Hl. Hedwig von Schlesien in etlichen katholischen Kirchen Berlin begangen. Auch heute noch zeugen viele Lieder im katholischen (Eigenteil Berlin) wie im evangelischen Gesangsbuch von der reichen Kirchenliedtradition, die von Schlesien nach Berlin und weiter nach Westen gelangten.</span></p></div>
<div><span style="font-family: georgia; font-size: medium;"><i>Fortsetzung am kommenden Montag.</i></span></div>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-28829006127826802992011-02-07T09:48:00.013+01:002011-02-07T10:20:01.060+01:00Soziales<div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Im Zusammenhang mit dem sozialen Engagement von Schlesiern ist Anna von Gierke erwähnenswert, der zu Ehren der Gierkeplatz und die Gierkezeile in Charlottenburg benannt sind. 1874 in Breslau als Tochter des Juristen und Sozialpolitikers Otto von Gierke geboren, wurde sie in Berlin zu einer berühmten Sozialpädagogin. Nachdem sie ihre Erfahrungen u. a. im Berliner Pestalozzi-Fröbel-Haus gesammelt hatte, engagierte sie sich für Kindergartenpädagogik, Schulspeisung und Horterziehung. Sie schuf eine Ausbildungsstätte für neue soziale Frauenberufe, »Jugendheime e. V.«, die auf ganz Deutschland ausstrahlte. In den zwanziger Jahren war sie Mitbegründerin eines Wohlfahrtsverbandes, aus dem der heutige Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband hervorging. Ebenfalls in der Zeit der Weimarer Republik gründete sie das vorbildhafte Landjugendheim Finkenkrug, eine Erholungs- und Ausbildungseinrichtung, und knüpfte ein dichtes Netz von Einrichtungen, Vereinen und Verbänden der Kinder- und Jugendfürsorge. Wegen ihrer »halbjüdischen« Abstammung aus ihren Ämtern entlassen, engagierte sich Anna von Gierke für in Not geratene Menschen, gleichgültig welcher Herkunft und Religion. <table style="text-align: right; float: right; margin-left: 1em;" class="tr-caption-container" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://4.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TU-1ETxZkrI/AAAAAAAAAHY/74icU5EbjGc/s1600/Gedenktafel_Carmerstr_12_Anna_von_Gierke.JPG"><img style="margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 320px; float: right; height: 234px; cursor: pointer;" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5570870349712167602" alt="" src="http://4.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TU-1ETxZkrI/AAAAAAAAAHY/74icU5EbjGc/s320/Gedenktafel_Carmerstr_12_Anna_von_Gierke.JPG" border="0" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: right;"><div class="MsoNormal" style="font-family: Georgia,'Times New Roman',serif; line-height: 200%; text-align: right;">Gedenktafel Anna von Gierke, Carmerstraße 12<br /><span style="font-size:xx-small;">Foto: © www.wikipedia.de</span></div></td></tr></tbody></table>Als Mitglied der Bekennenden Kirche führte sie in ihrer Wohnung Carmerstraße 12, wo sich heute eine Gedenktafel befindet, regelmäßige subversive Versammlungen durch, an denen Größen wie Martin Niemöller, Helmut Gollwitzer, Theodor Heuss und Romano Guardini teilnahmen. Sie starb 1943 in Berlin und wurde auf dem Friedhof der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche bestattet.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Stammte Anna von Gierke als Professorentochter aus dem angesehenen Breslauer und Berliner Bürgertum, so kam der Arbeiterschriftsteller Hans Marchwitza aus dem oberschlesischen Bergarbeitermilieu. 1890 in Scharley bei Beuthen/ Oberschlesien geboren begann er selbst bereits mit 14 Jahren unter Tage zu arbeiten. 1910 zog er ins Ruhrgebiet, wurde wegen Streiks entlassen und schlug sich als Hilfsarbeiter durch. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er KPD-Mitglied und kämpfte gegen Kapp-Putsch und Freikorps. In den zwanziger Jahren begann er zu schreiben und wurde in die Sowjetunion eingeladen. Ab 1936 kämpfte er im spanischen Bürgerkrieg, gelangte auf abenteuerlichen Wegen in die USA, von wo er 1946 zunächst nach Stuttgart, dann 1947 nach Potsdam zurückkehrte. 1950 war er Gründungsmitglied der Akademie der Künste der DDR. In seinem späteren schriftstellerischen Werk heroisierte er die ökonomische Entwicklung in der DDR, und wurde aufgrund dessen und aufgrund seiner lupenreinen proletarisch-antifaschistischen Vergangenheit mit Preisen und Ehrungen überhäuft. In der ganzen DDR gab es Kulturhäuser »Hans Marchwitza«. Und auch heute noch erinnert die Marchwitza-Straße in Marzahn an seine verschollene Popularität. Doch seine autobiographische Werke, <i>Die Kumiaks</i> (1. Band 1934) und <i>Meine Jugend</i> (1947) bewegen sich nicht nur in ideologischen Bahnen: sie liefern auch eindrucksvolle, fast zola-artige Tableaus der Arbeits- und Lebensverhältnisse der oberschlesischen Bergleute mit all ihren Fehlern und Schwächen, mit ihrem Aberglauben, ihren Gemeinheiten und Grausamkeiten. Marchwitza beschreibt diese Welt nüchtern und unaufgeregt. Sogar eine Wallfahrt der Arbeiter nach Deutsch-Piekar wird ausführlich geschildert. Im Buch werden wir andere schlesische Künstler kennenlernen, die sich unter anderem der sozialen Thematik verschrieben haben: August Scholtis, Franz Jung, den Maler Horst Strempel und Arnold Zweig. <table style="text-align: right; float: right; margin-left: 1em;" class="tr-caption-container" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://4.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TU-2m9R_fjI/AAAAAAAAAHg/DjOrAHnyhKE/s1600/Briefmarke%2Bder%2BDDR%2BHans%2BMarchwitza.jpg"><img style="margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 320px; float: right; height: 197px; cursor: pointer;" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5570872044481904178" alt="" src="http://4.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TU-2m9R_fjI/AAAAAAAAAHg/DjOrAHnyhKE/s320/Briefmarke%2Bder%2BDDR%2BHans%2BMarchwitza.jpg" border="0" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: right;"><div class="MsoNormal" style="font-family: Georgia,'Times New Roman',serif; line-height: 200%; text-align: right;">Marchwitza als Spanienkämpfer (Briefmarke der DDR)<br /><span style="font-size:xx-small;">Foto: © www.wikipedia.de</span></div></td></tr></tbody></table>Im Vergleich zu letzterem ist Hans Marchwitza literarisch nicht bedeutend. Aber er fügt dem oberschlesischen Hüttenwerks- und Elendstableau einen eigenwilligen Baustein hinzu, ein Tableau, das erstmalig im oberschlesischen Königshütte von Adolph Menzel entworfen und mit seinem »Eisenwalzwerk« bis heute eine gültige Form gefunden hat.</span></div><br /><div style=";font-family:Georgia,';"><span style="font-size:small;"><i>Fortsetzung am kommenden Donnerstag.</i></span></div>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-19530666859850750932011-02-03T09:47:00.004+01:002011-02-03T10:20:47.887+01:00Schlesische Aufständische<div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Dass aus Schlesien stammende Großindustrielle wie Borsig oder oberschlesische Steinkohlenmagnaten wie Henckel von Donnersmarck Berlin im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert wirtschaftlich entscheidend prägten, ist hinlänglich bekannt. Weniger bekannt ist vielleicht, dass soziale, gar sozialrevolutionäre Gedanken und Strömungen ebenfalls stark mit Schlesien verknüpft sind. Es ist festzuhalten, dass soziale Unruhen und neues soziales Gedankengut nicht etwa durch das beginnende Proletarierelend in Berlin ausgelöst wurden, sondern durch die schlesischen Weberaufstände.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >An dieser Stelle soll eine einstmals äußerst populäre, heute vergessene Sozialrevolutionärin und Frauenrechtlerin aus Schlesien vorgestellt werden, Agnes Wabnitz, der zu Ehren aber immerhin im Jahre 2002 im Entwicklungsgebiet Alter Schlachthof am Prenzlauer Berg eine neu angelegte Straße benannt wurde. Sie wurde 1841 im oberschlesischen Gleiwitz geboren und besuchte die dortige Bürgerschule. Nachdem die Familie verarmt war, musste Agnes Wabnitz sich ihren Lebensunterhalt als Gouvernante auf polnischen Adelsgütern verdienen. Anfang der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts zog sie – wie so viele in dieser Zeit – nach Berlin, wo sie als Schneiderin und Näherin, vor allem als Mantelnäherin arbeitete. In der Partei- und Gewerkschaftsarbeit begann sie sich zu engagieren, nachdem ihr Bruder unter dem Sozialistengesetz 1879 verhaftet und ausgewiesen worden war. Durch ihr rednerisches Temperament, das sie zu einer wandernden Agitatorin machte, stieß sie immer häufiger mit der Polizei und anderen staatlichen Autoritäten zusammen. Unermüdlich setzte sie sich für die Stärkung der Frauenrechte ein. Sie agitierte auch gegen die Doppelmoral der Kirche und gegen die Anmaßung des Kaisers. 1892 wurde sie wegen Majestätsbeleidigung und Gotteslästerung verurteilt und inhaftiert. Im Gefängnis begann sie einen Hungerstreik, woraufhin sie in der Charité zwangsernährt und später in die Berliner Irrenanstalt Dalldorf (Wittenau) eingeliefert wurde. Nach ihrer Entlassung begann Agnes Wabnitz wieder, Reden und Vorträge zu halten, bis sie erneut verurteilt werden sollte. Bevor sie jedoch ihre Strafe antrat, nahm sie sich – symbolträchtig – auf dem Friedhof der Märzgefallenen in Berlin-Friedrichshain am 28. 8. 1894 das Leben.<table class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TUpyrwIAUjI/AAAAAAAAAHQ/w-2c7TAqHXs/s1600/Grabstein_Agnes_Wabnitz_2009.jpg" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}"><img alt="" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5569389985175458354" src="http://4.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TUpyrwIAUjI/AAAAAAAAAHQ/w-2c7TAqHXs/s320/Grabstein_Agnes_Wabnitz_2009.jpg" style="cursor: pointer; float: right; height: 320px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 242px;" border="0" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"><div class="MsoNormal" style="font-family: Georgia,'Times New Roman',serif; line-height: 200%; text-align: left;">Grabstein von Agnes Wabnitz<br />Friedhof der Freireligiösen Gemeinde<br />in der Pappelallee in Berlin <br />Prenzlauer Berg<br /><span style="font-size:xx-small;">Foto: © www.wikipedia.de</span></div></td></tr></tbody></table> Agnes Wabnitz war damals derart populär, »vielleicht die bekannteste Frau ihrer Zeit«, wie ihr Biograph Klaus Kühnel schreibt, dass ihr Begräbnis nicht öffentlich stattfinden sollte, um eine politische Demonstration zu verhindern. Aber die Geheimhaltung gelang nicht. Am 2. September 1894 gaben ihr wohl über 40.000 Menschen das letzte Geleit zum Friedhof der Freireligiösen Gemeinde an der Pappelallee, mehr Personen als beim Begräbnis Kaiser Wilhelms I. zugegen waren. 630 Kränze wurden ihr zugedacht, achtzig mehr als dem Kaiser. Durch ihren Suizid wurde Agnes Wabnitz zur Märtyrerin der sozialdemokratischen Bewegung. Dass sie heute so gut wie vergessen ist, mag daran liegen, dass sie als Agitatorin durch und durch in ihrer Gegenwart lebte, und anders als Rosa Luxemburg oder Clara Zetkin kein theoretisches Werk hinterließ. Ihr Grabstein auf dem Friedhof an der Pappelallee ist erhalten. Dort erinnert folgender Vers an die »unvergessliche Genossin«:<br /><blockquote>Edelsinn, Biederkeit war deine Zier<br />Wahrheit, Gerechtigkeit hieß dein Panier<br />Ob du im Grab auch liegst<br />Es klinget fort und fort<br />Wacker dein Losungswort:<br />Freiheit du siegst.</blockquote></span></div><br /><div style=";font-family:Georgia,';"><span style="font-size:small;"><i>Fortsetzung am kommenden Montag.</i></span></div>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-34999459335971736662011-01-31T09:53:00.005+01:002011-01-31T10:22:31.683+01:00Stahl<div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Das Buch wird sich auch mit der Industrialisierung Berlins befassen, die maßgeblich mit Schlesien in Zusammenhang stand, sei es, weil Materialien wie Kohle, Stahl und Ton von dort importiert wurden, sei es, weil etliche Industrielle und Großindustrielle, die für Berlin und deutschlandweit bedeutsam waren, aus Schlesien stammten und auch dort Werke unterhielten. Etwas weniger bekannt als Borsig, aber auch sehr bedeutend war der schlesische Großindustrielle Georg von Caro, der aus einer jüdischen Familie in Breslau stammte. Sein Vater war Königlich Preußischer Kommerzienrat, Hüttenbesitzer und Kaufmann in Breslau sowie Teilhaber der dort ansässigen Eisenhandels-Firma Caro. Mit unternehmerischem Engagement baute Georg Caro dann die väterliche Eisengroßhandlung zu einer der größten Unternehmungen ihrer Art in Deutschland aus. Zusammen mit seinem Bruder Oscar fusionierte er etliche Hüttenwerke in Oberschlesien, so in Bobrek bei Beuthen, in Laband und Kattowitz zur »Oberschlesischen Eisenindustrie AG für Bergbau und Hüttenbetrieb«. Im Jahr 1910 rief Georg von Caro in Breslau die »Deutsche Eisenhandels AG« ins Leben, die mehrere Eisenhandelsfirmen aus Breslau und die Berliner Eisenfirma von Jacob Ravené zusammenführte. Darüber hinaus gehörten dem Caro-Konzern über vierzig Tochterunternehmungen in ganz Deutschland an, was zu einer geradezu märchenhaften Kapitalanhäufung führte. Um 1900 erwarb Georg von Caro östlich von Berlin die Rittergüter Gielsdorf bei Altlandsberg und Wilkendorf bei Strausberg. Auf Schloss Wilkendorf, wo Fontane übrigens seinen Roman »Effi Briest« konzipierte, verstarb Georg von Caro im Jahr 1913, millionenschwer.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Der aus Fraustadt in Schlesien stammende Architekt und Bauingenieur Paul Wittig arbeitete mit Eisen und Stahl, nachdem er um 1900 zum Direktor der Berliner Hochbahngesellschaft geworden war. Zuvor hatte er bereits sechzig Räume des neu erbauten Reichstags ausgebaut, die leider nicht mehr erhalten sind. Nun setzte er sich für den Ausbau und für die Modernisierung der Berliner U- und Hochbahn ein, um Berlin im internationalen Maßstab nicht ins Hintertreffen geraten zu lassen. Er plädierte für die Mitwirkung von Baukünstlern an der Gestaltung der U-Bahnhöfe. Seine eigene gestalterische Tätigkeit beschränkte sich auf den Ausbau von Treppengebäuden und Pfeilern in den Bahnhöfen. <table style="text-align: right; float: right; margin-left: 1em;" class="tr-caption-container" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://1.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TUZ8vbXDyGI/AAAAAAAAAG8/nKN6Y5308oY/s1600/Wittig%252C%2BWarschauer%2BStra%25C3%259Fe.JPG"><img style="margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 240px; float: right; height: 320px; cursor: pointer;" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5568275143530367074" alt="" src="http://1.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TUZ8vbXDyGI/AAAAAAAAAG8/nKN6Y5308oY/s320/Wittig%252C%2BWarschauer%2BStra%25C3%259Fe.JPG" border="0" /></a></td></tr></tbody></table>Nur noch das Treppenhaus des Hochbahnhofs Warschauer Straße ist von seinen Bauten erhalten, das wilhelminisch-futuristische Torhaus für die Hochbahndurchfahrt am Landwehrkanal und viele andere Bauwerke existieren nicht mehr.<table style="text-align: right; float: right; margin-left: 1em;" class="tr-caption-container" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://1.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TUZ920Tx-zI/AAAAAAAAAHE/OlO9oqP44Ls/s1600/Wittig%252C%2BHochbahndurchfahrt.JPG"><img style="margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 280px; float: right; height: 202px; cursor: pointer;" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5568276369998215986" alt="" src="http://1.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TUZ920Tx-zI/AAAAAAAAAHE/OlO9oqP44Ls/s320/Wittig%252C%2BHochbahndurchfahrt.JPG" border="0" /></a></td></tr></tbody></table> Zwei Gedenkplaketten, einmal im U-Bahnhof Klosterstraße und im U-Bahnhof Alexanderplatz, erinnern an Paul Wittigs Wirken als Ingenieur. Übrigens plädierte Wittig bereits sehr früh, jedenfalls schon vor dem Ersten Weltkrieg, für die Errichtung von Hochhäusern in Berlin, damals »Turmhäuser« genannt. Für die Bebauung des Potsdamer Platzes schlug er ein rundes Hochhaus vor, für »Turmbauten« am Bahnhof Friedrichstraße Warenhäuser und einen runden Hotelbau. Ausgehend von seinem Vorbild Manhattan setzte er sich leidenschaftlich für die Zulassung größer Bauhöhen an sorgfältig auszuwählenden Punkten ein, um »die städtebauliche Schönheit von Weltstädten, also auch in Berlin, zu heben.« (Paul Wittig, Studie über die ausnahmsweise Zulassung einzelner Turmhäuser in Berlin, Berlin 1918, S. 14)</span></div><br /><div style=";font-family:Georgia,';"><span style="font-size:small;"><i>Fortsetzung am kommenden Donnerstag.</i></span></div>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com3tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-57943225373586113842011-01-27T09:28:00.007+01:002011-01-27T10:12:49.525+01:00Das märkische Kreisau<div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Das Landgut Borsig im havelländischen Groß Behnitz, fünfzig Autominuten vom Brandenburger Tor entfernt, überrascht den Besucher gleich mehrfach: es ist schön am Groß Behnitzer See gelegen, mit Terrassenlokal und einem gepflegten Park. Im Park am Ufer des Sees steht eine asiatische Platane, die Alexander von Humboldt dem Eisenbahnpionier August von Borsig von einer Forschungsreise als Dank mitgebracht hatte, Keimzelle der dendrologischen Liebhaberei der Familie Borsig über mehrere Generationen hinweg. Dann hat das Landgut enorme architektonische Ausmaße, die auf den Großindustriellen Albert Borsig zurückgehen, der das Gut 1866 erwarb und das Terrain mit einem architektonischen Ensemble in Backsteinbauweise ausbauen ließ. Diese sollte an die Berliner Borsig-Fabrik erinnern. Das Gut wurde als Teil der »A. Borsig Maschinenbauanstalt« nach modernsten landwirtschaftlichen Methoden bewirtschaftet, so mit Maschinen aus den Berliner Werken und Technologien, die bereits sehr früh nach ökologischen Prinzipien funktionierten: der Kuhstall wurde mit Biomasse erwärmt, Wasser wiederaufbereitet. Trotz aller Innovationsbestrebungen wurde jedoch auch der Geschichte und der Tradition Berlins Wertschätzung gezollt: Albert Borsig rettete beim Abriss des Oranienburger Tors in Berlin die Gontard-Skulpturen, indem er die Pfeiler seines Gutsportals mit ihnen bekrönte.<table style="text-align: right; float: right; margin-left: 1em;" class="tr-caption-container" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://1.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TUEy-AxpoPI/AAAAAAAAAGc/_4E2iPR35MY/s1600/5-10%2BGro%25C3%259F%2BBehnitz%2BGontard-Skulpturen%2Bvom%2BOranienburger%2BTor.JPG"><img style="margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 280px; float: right; height: 202px; cursor: pointer;" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5566786655348170994" alt="" src="http://1.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TUEy-AxpoPI/AAAAAAAAAGc/_4E2iPR35MY/s200/5-10%2BGro%25C3%259F%2BBehnitz%2BGontard-Skulpturen%2Bvom%2BOranienburger%2BTor.JPG" border="0" /></a></td></tr></tbody></table>An einem der Pfeiler ist eine Gedenktafel angebracht mit folgender Aufschrift: »Hier trafen sich im ehemaligen Schloss in den Jahren 1941–1943 auf Einladung des Dr. Ernst Borsig mehrmals die Grafen Moltke und York von Wartenburg mit führenden Mitgliedern des Kreisauer Kreises.« <table style="text-align: right; float: right; margin-left: 1em;" class="tr-caption-container" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://4.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TUE0BdzzuRI/AAAAAAAAAGk/z8KdQfsVo3w/s1600/5-10%2BGro%25C3%259F%2BBehnitz.JPG"><img style="margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 240px; float: right; height: 320px; cursor: pointer;" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5566787814193084690" alt="" src="http://4.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TUE0BdzzuRI/AAAAAAAAAGk/z8KdQfsVo3w/s200/5-10%2BGro%25C3%259F%2BBehnitz.JPG" border="0" /></a></td></tr></tbody></table><br />Während dieser konspirativen Treffen wurde u. a. das Sieben-Punkte-Programm des Kreisauer Kreises verfasst, in dem es um die Reagrarisierung Deutschlands nach der Beseitigung Hitlers ging. Helmuth James Graf von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg stammten beide aus Schlesien, Ernst Borsig, der Gutsbesitzer, hatte schlesische Wurzeln. Sein berühmter, Berlin ungemein prägender Urgroßvater August Borsig war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Breslau nach Berlin gekommen, wo es ihm, dem Sohn eines schlesischen Zimmermannpoliers, gelungen war, zu einem Großindustriellen, zu einem Eisenbahnpionier, sogar Eisenbahnkönig aufzusteigen. Im Buch werden wir Näheres darüber erfahren. Sein Sohn Albert Borsig baute das Unternehmen weiter aus und übernahm auch das Gut Groß Behnitz. Von seinem Innovationsgeist profitierte das ganze Dorf: bereits 1869 wurde ein Bahnhof gebaut, an dem Züge von und nach Berlin hielten, um frische Landprodukte in die firmeneigenen Kantinen der Borsigwerke zu transportieren, eine Schule und ein Kindergarten wurden errichtet, die Wälder aufgeforstet, ein Erbbegräbnis der Familie Borsig an der Dorfkirche angelegt, vom gleichen Architekten übrigens, der auch den Borsigturm in Tegel baute. Hier in Groß Behnitz sind die meisten Mitglieder der Familie Borsig bestattet. Nur August Borsig, der Urgroßvater des Hitlergegners Ernst Borsig, liegt in Berlin auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in einem Ehrengrab begraben, ganz in der Nähe eines besonders prachtvollen Grabmals, das mit buntglasierten Kacheln verziert ist: das Grabmal des Erfinders der Ringöfen, Friedrich Eduard Hoffmann. <table class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TUE1vPwdyfI/AAAAAAAAAGs/2KJP0iHhiQE/s1600/5-10%2BDorotheenst.%2BFriedhof%252C%2BHoffmann.JPG" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}"><img alt="" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5566789700206578162" src="http://1.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TUE1vPwdyfI/AAAAAAAAAGs/2KJP0iHhiQE/s320/5-10%2BDorotheenst.%2BFriedhof%252C%2BHoffmann.JPG" style="cursor: pointer; float: right; height: 202px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 280px;" border="0" /></a></td></tr></tbody></table> <table class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TUE2WzbYPAI/AAAAAAAAAG0/O-gLkCaeoms/s1600/11-10%2BHoffmann-Grab%252C%2BDorotheenst%25C3%25A4dt.%2BFriedhof.JPG" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}"><img alt="" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5566790379796708354" src="http://3.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TUE2WzbYPAI/AAAAAAAAAG0/O-gLkCaeoms/s320/11-10%2BHoffmann-Grab%252C%2BDorotheenst%25C3%25A4dt.%2BFriedhof.JPG" style="cursor: pointer; float: right; height: 202px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 280px;" border="0" /></a></td></tr></tbody></table>Dieser war zwar kein Schlesier, betrieb aber neben anderen Werken ein bedeutendes Werk in Schlesien, in Siegersdorf (Zebrzydowa) am Queis bei Naumburg (Nowogrodziec) gelegen, das eine noch berühmtere schlesische Töpferstadt war als Bunzlau. Auf dem Grabmal ist der anrührende Hinweis zu lesen, dass »vier liebe Kinder des Koenigl. Bauraths Friedrich Hoffmann« als »Opfer des Scharlachs« hier beerdigt liegen. Die leuchtend bunten Keramikkacheln wurden, wie ein kleiner, unscheinbarer Stempel an der Seite verrät, in Siegersdorf, in Schlesien hergestellt. </span></div><br /><div style=";font-family:Georgia,';"><span style="font-size:small;"><i>Fortsetzung am kommenden Montag.</i></span></div>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-50952424157293832272011-01-24T09:47:00.005+01:002011-01-24T10:18:29.784+01:00Schlesische Krieger<div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >In seinem »Politischen Testament« von 1768 äußert sich Friedrich II. sehr positiv über die Schlesier, sowohl über die Bauern, als auch über den Adel. So beförderte er die Errichtung des Hedwigsdoms, um den katholischen schlesischen Adel stärker an sich zu binden. Und nicht nur Friedrich II. nutzte schlesische Militärs für die Festigung der preußischen Armee, auch seine Nachfolger bedienten sich ihrer. Etliche Gräber auf dem Alten Garnisonsfriedhof Linienstraße, Ecke Rosenthalerstraße und auf dem Invalidenfriedhof zeugen davon.</span></div><br /><table style="text-align: right; float: right; margin-left: 1em;" class="tr-caption-container" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://1.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TT1Be1wes9I/AAAAAAAAAGM/NDWQT1YUXM4/s1600/11-10%2BAlter%2BGarnisonsfriedhof%2B3.JPG"><img style="margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 240px; float: right; height: 320px; cursor: pointer;" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5565676712582099922" alt="" src="http://1.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TT1Be1wes9I/AAAAAAAAAGM/NDWQT1YUXM4/s320/11-10%2BAlter%2BGarnisonsfriedhof%2B3.JPG" border="0" /></a></td></tr></tbody></table><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >So entstammte Ludwig Matthias Nathanael Gottlieb von Brauchitsch, der 1757 geboren wurde, einem alten schlesischen Adelsgeschlecht. Er schlug die militärische Laufbahn ein und beteiligte sich während der Befreiungskriege an der Organisation des Landsturms gegen das napoleonische Heer, wurde danach Generalleutnant und trat 1820 die Nachfolge Gneisenaus als Diensttuender Gouverneur von Berlin an. Sein Ehrengrab befindet sich auf dem Alten Garnisonsfriedhof. Das Grabmal, nach Entwürfen Schinkels geschaffen, ist ein Werk der Berliner Eisengießerei, die die Ornamente der Eisenstele bereits 1828 zum Motiv ihrer Neujahrsplakette wählte.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Viele Militärs aus Schlesien sind es, die auf dem durch den Mauerbau gezausten Invalidenfriedhof ihre Gräber haben oder hatten. Da ist der preußische General Karl von Hänisch, 1829 in Ratibor geboren und aus einer alten niederschlesischen Familie stammend. Da ist der Generalfeldmarschall Hermann von Eichhorn, der 1848 in Breslau geboren wurde, an den Kriegen 1866 und 1870/71 teilnahm und während des Ersten Weltkriegs ums Leben kam. Die Eichhornstraße in Kaulsdorf ist nach ihm benannt. Ebenfalls bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts aktiv waren die beiden aus dem alten, weit verzweigten schlesischen Adelsgeschlecht von Prittwitz stammenden Militärs, der preußische Generaloberst Maximilian von Prittwitz und Gaffron, 1848 in Bernstadt bei Oels geboren, und der Admiral Curt von Prittwitz und Gaffron, geboren 1849 bei Ohlau. Auch der preußische Generaloberst Moritz von Bissing, nach dem die Bissingszeile im Tiergarten benannt ist, wurde 1844 in Schlesien, auf einem Gut bei Lauban, geboren. Der prominenteste ist allerdings der bekannte Jagdflieger des Ersten Weltkriegs, der 1892 in Breslau geborene Manfred von Richthofen, der »Rote Baron«, nach dem eine Straße in Tempelhof benannt ist.</span></div><br /><table style="text-align: right; float: right; margin-left: 1em;" class="tr-caption-container" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://3.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TT1Cqo0JLuI/AAAAAAAAAGU/E3ovPPSqcEs/s1600/08%2BFrohnau%2BInvalidensiedlung.JPG"><img style="margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 240px; float: right; height: 320px; cursor: pointer;" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5565678014777863906" alt="" src="http://3.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TT1Cqo0JLuI/AAAAAAAAAGU/E3ovPPSqcEs/s320/08%2BFrohnau%2BInvalidensiedlung.JPG" border="0" /></a></td></tr></tbody></table><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Interessant im Zusammenhang mit den Militärs aus Schlesien ist auch die Invalidensiedlung in Frohnau, die die Tradition des von Friedrich II. gegründeten Invalidenhauses an der Scharnhorststraße fortsetzte. Nach dem Zweiten Schlesischen Krieg ließ Friedrich II. eine Invalideneinrichtung für Kriegsversehrte errichten. Während der NS-Zeit wurde das Gelände des Invalidenhauses für die Erweiterung der Militärärzteakademie beansprucht, so dass die Invalideneinrichtung an den äußersten Nordrand Berlin umziehen musste. Die Häuser, in holländisch wirkender Backsteinbauweise errichtet, waren 1938 bezugsfertig. Das Besondere an den hufeisenförmig angeordneten Häusern besteht darin, dass die steinernen Kartuschen über den Hausportalen an die Schlachten und Feldlager der Schlesischen Kriege erinnern: Mollwitz, Leuthen, Bunzelwitz, Glogau, Burkersdorf, Breslau und viele andere. [Foto Invalidensiedlung] Es wird berichtet, dass im Gemeinschaftshaus der Siedlung bis 1944 alljährlich der Geburtstag Friedrichs II. vor seiner mit Blumen geschmückten Büste begangen wurde. Hier wird die Vereinnahmung Friedrichs während der NS-Zeit in unangenehmster Weise sichtbar. Befreien wir ihn aus derartigen Vereinnahmungen und gratulieren ihm, oder zumindest dem Menzel-Bild, das ihn uns verlebendigt, heute zu seinem 299. Geburtstag.</span></div><br /><div style=";font-family:Georgia,';"><span style="font-size:small;"><i>Fortsetzung am kommenden Donnerstag.</i></span></div>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-72435712859519647012011-01-20T09:46:00.013+01:002024-03-07T10:10:38.604+01:00Witz<table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TTgcTaIbRuI/AAAAAAAAAGE/GGR0g2yG8RI/s1600/Finck_Werner_Cover_Alter_Narr.jpg" style="clear: right; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5564228459374003938" src="http://3.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TTgcTaIbRuI/AAAAAAAAAGE/GGR0g2yG8RI/s16000/Finck_Werner_Cover_Alter_Narr.jpg" style="cursor: pointer; float: right; height: 320px; margin: 0px 0px 10px 10px; width: 194px;" /></a></td></tr><tr align="right"><td class="tr-caption"><span style="color: #666666; font-family: verdana;"><span style="font-size: small;">Werner Fincks Buch<i> <br />Alter Narr – was nun?</i> <br />erschien 1972 </span></span><br /></td></tr></tbody></table><p class="MsoNormal" style="font-family: Georgia, "; text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Im Februar 2009 fand im schlesischen Neiße eine <a href="https://kulturforum.info/de/termine/veranstaltungsberichte/4280-1015442-beeindruckende-lebensgeschichten-hinter-trschlssern-kinderbchern-und-schwarz-wei-fotografien" target="_blank">»Geschichtswerkstatt Schlesien«</a> statt. Dort sollten sich ältere und jüngere Teilnehmer in sogenannten Tandemgesprächen ihre Geschichten erzählen. Schwere Themen wurden berührt, wenn es um Traumatisierungen durch Diktatur, Krieg, Vertreibung und Sozialismus in Schlesien ging. Aber die Atmosphäre wurde nicht schwer, bedrückend und lastend. Das hing vor allem mit den älteren Teilnehmern zusammen, Schlesier, über siebzig Jahre alt, die zum Teil in Deutschland lebten, zum Teil in Schlesien geblieben waren. Es hing zusammen mit ihrem Humor. </span></p><p class="MsoNormal" style="font-family: Georgia, "; text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Allesamt waren sie selbstironisch, sprachspielerisch (»Hier kommen die Neißer Scheißer«), verschmitzt und hatten den Schalk im Nacken. Der Witz hatte ihre Physiognomien auf das Freundlichste geprägt. Alles Schwere und Ernste wurde leicht in ihrer Gegenwart, aber nicht etwa durch Oberflächlichkeit, sondern durch die Weisheit des Komischen. Daher war die Geschichtswerkstatt von einer Offenheit jeneits aller Sonntagsreden geprägt, eine Offenheit, die von einem heiteren Mutterwitz getragen wurde. Die jüngere Generation konnte nur staunen.<br /></span></p><p class="MsoNormal" style="font-family: Georgia, "; text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;"><span></span></span></p><a name='more'></a><p></p><p class="MsoNormal" style="font-family: Georgia, "; text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Im Buch wird es ein eigenes Kapitel über den schlesischen Witz geben, der ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Berlin kam und den Berliner Humor enorm bereicherte. Die Autoren der sogenannten Altberliner Posse waren allesamt Schlesier, oft auch jüdische Schlesier. Der schlesische Witz kommt nicht so bajonettscharf wie der Berliner Witz daher, sondern freundlicher, ist dafür aber hintersinniger, doppeldeutiger, sprachspielerischer. Über den Ursprung der Altberliner Posse und des Satireblattes <i>Kladderadatsch</i> werden wir im Buch ausführlich hören. Hier soll es um einige Satiriker aus Schlesien bis heute gehen.</span></p><p class="MsoNormal" style="font-family: Georgia, "; text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Während der Kaiserzeit und der Weimarer Zeit war der Humorist, Couplet-Sänger, Komiker und Kabarettist <b>Guido Thielscher</b> (geboren 1859 in Königshütte) in Berlin und über Berlin hinaus sehr populär. In seiner Autobiographie <i>Erinnerungen eines alten Komödianten</i> ist allerdings auch eine gewisse harmlose Behäbigkeit seines Humors nicht von der Hand zu weisen, die ihn vor den neuen Machthabern 1933 sich verbeugen ließ. </span></p><p class="MsoNormal" style="font-family: Georgia, "; text-align: left;"></p><p style="text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Das war bei <b>Werner Finck</b> (1902 in Görlitz geboren) ganz anders, der einige Male während der NS-Zeit in Haft geriet, sich aber durch seine Technik des andeutungshaften Sprechens immer wieder retten konnte. Überliefert ist Fincks Frage an einen mitschreibenden Spitzel, der in einer Vorstellung saß: »Spreche ich zu schnell? Kommen Sie mit? Oder muß ich mitkommen?« Bertolt Brecht widmete Finck das Gedicht »Eulenspiegel überlebt den Krieg«.</span></p><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;"><div class="separator"><a href="http://4.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TTf-mcMBQOI/AAAAAAAAAF8/nsbruhVxZM8/s1600/funzel_logo.jpg" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img alt="" border="0" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5564195800994627810" src="http://4.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TTf-mcMBQOI/AAAAAAAAAF8/nsbruhVxZM8/s16000/funzel_logo.jpg" style="cursor: hand; float: right; height: 200px; margin: 0px 0px 10px 10px; width: 250px;" /></a></div></span><p></p><p style="text-align: left;"></p><p class="MsoNormal" style="text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">Bekannte Karikaturisten und politische Satiriker in der DDR waren <b>Leo Haas</b> (1901 in Troppau geboren) und <b>Jochen Petersdorff</b> (1934 in Liegnitz geboren). Haas, der aufgrund seiner jüdischen Abstammung während der NS-Zeit in etlichen KZ's inhaftiert war, betätigte sich in der DDR als Karikaturist für das <i>Neue Deutschland</i> und den <i>Eulenspiegel</i>, und zwar während der Zeit des Kalten Krieges in zeittypisch tendenziöser Weise. Petersdorf hingegen verfasste die <i>Funzel-Beilage. Das Abendblatt für trübe Stunden</i> des Satiremagazins <i>Eulenspiegel</i>, die dem Nonsens verpflichtet war. Doch ist bei ihm eine gewisse Entschärfung der Komik durch die Diktatur zu verzeichnen.</span></p><p style="text-align: left;"></p><p class="MsoNormal" style="text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium; line-height: 200%;">In der Bundesrepublik bzw. Westberlin waren es unter den bekannten Komikern <b>Wolfgang Neuss</b> (1923 in Breslau geboren) und <b>Dieter Hildebrandt</b> (1927 in Bunzlau geboren), die aus Schlesien stammten. Trotz ihrer unterschiedlichen politischen Ausrichtungen gibt es bei beiden manchmal eine ähnliche Art des Witzes, und zwar durch die Komik von assoziativen Abschweifungen und Improvisationen, durch Stottern und Auslassungen, durch Versprecher und Wortverdrehungen. Unvergessen sind Aussprüche von Wolfgang Neuss aus seiner späteren Zeit: »Meine Zeit ist gekommen, wenn die Welt wieder so zum Lachen ist, dass es sich lohnt, dritte Zähne anzuschaffen.« Oder, mit Anspielung auf seinen Haschischkonsum: »Ich rauche den Strick, an dem ich sonst hängen würde.« »Alle Tage sind zwar gleich lang, aber unterschiedlich breit.« Und Dieter Hildebrandt beschreibt in einer Geschichte auf seiner Website die Schwierigkeiten, Weihnachten 1945 als Vertriebener in Bayern schlesische Mohnklöße herzustellen. Der Titel seines Textes lautet: »Der Mohn ist ausgegangen«.</span></p><p style="font-family: Georgia, "; text-align: left;"><span style="font-family: georgia; font-size: medium;"><i>Fortsetzung am kommenden Montag.</i></span></p>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-82233218815748108892011-01-17T10:00:00.009+01:002011-01-17T13:26:43.177+01:00Ingenieurskunst<div class="MsoNormal" style="font-family:Georgia,';"><span style="LINE-HEIGHT: 200%;font-size:small;" >Den Abschluss der Straße Unter den Linden bildet, sozusagen als fernes Gegenüber des Brandenburger Tors, der Berliner Dom, erbaut vom schlesischen Baumeister Julius Raschdorff, über den wir im Buch Näheres erfahren werden. In den Jahren 1897/98 erhielt ein Bauingenieur den Auftrag zu dem gewaltigen Unterfangen, den Berliner Dom von seinem Fundament bis zur Kuppel konstruktiv und statisch zu berechnen: der Professor für Statik der Baukonstruktion und Brückenbau an der Technischen Universität Berlin, Heinrich Müller-Breslau. Unter dem Namen Heinrich Müller 1851 in Breslau geboren, nannte er sich später, zur Unterscheidung von anderen Trägern dieses Namens, Müller-Breslau, fügte also seinem Namen seinen Geburtsort zu – eine Praktik, wie wir sie später von dem aus Neiße stammenden Schriftsteller Max Hermann kennen, der in Berlin seinen Nachnamen um den seiner Geburtsstadt erweiterte.</span></div><br /><table style="TEXT-ALIGN: right; FLOAT: right; MARGIN-LEFT: 1em" class="tr-caption-container" cellspacing="0" cellpadding="0" align="center"><tbody><tr><td style="TEXT-ALIGN: center"><a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://1.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TSXsZPrxg1I/AAAAAAAAAFU/goW7-l9p25g/s1600/Mittelmeerhaus.jpg"><img style="MARGIN: 0pt 0pt 10px 10px; WIDTH: 200px; FLOAT: right; HEIGHT: 134px; CURSOR: pointer" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5559109233509761874" border="0" alt="" src="http://1.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TSXsZPrxg1I/AAAAAAAAAFU/goW7-l9p25g/s200/Mittelmeerhaus.jpg" /></a></td></tr><tr><td style="TEXT-ALIGN: center" class="tr-caption"><div style="TEXT-ALIGN: right" class="MsoNormal"><span style="font-size:xx-small;">Foto: © www.berlins-gruene-seiten.de</span></div></td></tr></tbody></table><div class="MsoNormal" style="font-family:Georgia,';"><span style="LINE-HEIGHT: 200%;font-size:small;" >Neben dem Berliner Dom noch erhaltene Bauwerke, die auf Heinrich Müller-Breslau zurückgehen, sind das Große Tropenhaus und das Mittelmeerhaus, auch Subtropenhaus genannt, im Botanischen Garten Berlin. Letzteres klingt mit seinem geschwungenen Giebel und den flankierenden Türmchen bewusst an die Fassade einer gotischen Kathedrale an. Auch der leider im Krieg zerstörte Kaisersteg über die Spree bei Oberschöneweide geht auf Heinrich Müller-Breslau zurück. Es handelte sich um eine äußerst schwungvolle Brückenkonstruktion, deren Portale mit gotisierenden Formen aus Eisen verziert waren. Müller-Breslau, der auch zeitweilig Rektor der Technischen Universität in Berlin-Charlottenburg war, wurde 1901 als Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften aufgenommen, eine außergewöhnliche Auszeichnung, da die Akademie sonst keine Techniker in ihren Reihen zählte. Heinrich Müller-Breslau war auch Berater von Graf von Zeppelin, den er bei der Gestaltung des Tragwerks für dessen Luftschiffe unterstützte. Die Müller-Breslau-Straße in Charlottenburg geht auf diesen wichtigen Ingenieur zurück.</foto></span></div><br /><br /><table style="TEXT-ALIGN: right; FLOAT: right; MARGIN-LEFT: 1em" class="tr-caption-container" cellspacing="0" cellpadding="0" align="center"><tbody><tr><td style="TEXT-ALIGN: center"><a onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}" href="http://1.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TTQw-ZDVnVI/AAAAAAAAAFs/W_0X--NWFRs/s1600/Arnold%2BZweig%2B_Dorotheenst_Friedhof.JPG"><img style="MARGIN: 0pt 0pt 10px 10px; WIDTH: 200px; FLOAT: right; HEIGHT: 150px; CURSOR: pointer" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5563125288144313682" border="0" alt="" src="http://1.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TTQw-ZDVnVI/AAAAAAAAAFs/W_0X--NWFRs/s200/Arnold%2BZweig%2B_Dorotheenst_Friedhof.JPG" /></a></td></tr><tr><td style="TEXT-ALIGN: center" class="tr-caption"><div style="TEXT-ALIGN: right" class="MsoNormal">Grabstein Arnold Zweigs <br />auf dem Dorotheenstädtischen<br />Friedhof<br /><span style="font-size:xx-small;">Foto: © Roswitha Schieb</span></div></td></tr></tbody></table><div class="MsoNormal" style="font-family:Georgia,';"><span style="LINE-HEIGHT: 200%;font-size:small;" >Hundert Jahre zuvor war der Baumeister Carl Gotthard Langhans auch als Konstrukteur und Ingenieur tätig. Er ersann in langen statischen Experimenten die Haltbarkeit von Bohlendachkonstruktionen, die zu größeren Kuppelbauten führten. Auch der Turmhelm auf der Marienkirche auf dem Alexanderplatz wurde von Langhans geschaffen. Es ist das erste neugotische Bauwerk in Berlin. Die spitzen Metallbögen, die sich überschneiden, wiederholen sich bei der Turmgestaltung in verschiedensten Variationen, in Gittern und Geländern. Auch Müller-Breslau arbeitete gerne bei seinen Konstruktionen, wie wir sahen, mit neugotischen Elementen - allerdings hundert Jahre nach Langhans. Interessant ist, dass auf den älteren Friedhöfen der Stadt Berlin die verschränkten, sich überschneidenden Langhans-Gitter vom Turmhelm der Marienkirche in vielen Grabeinfassungsgittern wiederkehren, auf dem Alten Garnisonsfriedhof ebenso wie vielfach auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof, so um das Grab von Arnold Zweig herum, aus Schlesien stammend auch er.</span></div><br /><div style="font-family:Georgia,';"><span style="font-size:small;"><i>Fortsetzung am kommenden Donnerstag.</i></span></div>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-9408660387724942982011-01-13T10:00:00.000+01:002011-01-13T10:00:01.547+01:00Oper, Film und Komik<div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Berlin war für Schlesier ein großer Magnet, ja vielleicht der Anziehungspunkt schlechthin. Wer etwas werden wollte in der Welt, der blieb nicht in der schlesischen Provinz, nicht einmal in der schlesischen Hauptstadt Breslau, sondern er musste nach Berlin kommen. Das galt auch für die 1850 in Breslau geborene Opernsängerin Selma Nicklaß-Kempner, die mit zwanzig Jahren an der Berliner Krolloper debütierte. Von dort führte sie ihr Weg durch Europa, aber auch wieder nach Berlin zurück, wo sie am Stern'schen Konservatorium engagiert wurde und auch als Gesangspädagogin wirkte. Die lange Liste ihrer später teilweise prominenten Schülerinnen verrät, wie bekannt und begabt sie auch als Lehrerin gewesen sein muss.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Der Sogwirkung Berlins konnte sich auch der Sänger und Schauspieler Egon Brosig, Sohn eines Brauereibesitzers aus Ohlau, 1889 geboren, nicht entziehen. Nachdem dieser seine Karriere in der schlesischen Provinz, in Salzbrunn und Kattowitz, begonnen hatte, zog es ihn 1915 nach Berlin, wo er sich zu einem beliebten Opernbuffo und Charakterkomiker entwickelte. Zeitweilig galt er sogar als renommiertester Buffo, auf jeden Fall aber als bedeutendster Tanzbuffo. Nach dem Zweiten Weltkrieg trat er an der Komischen Oper auf, nach 1953 dann in Westberliner Theatern.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Seine Erfahrungen als Filmschauspieler sammelte er in der Stummfilmära. Bis zu seinem Lebensende 1961 spielte er in unübersehbar vielen Filmen mit, oft in Nebenrollen. Interessant ist seine Mitwirkung im NS-Propagandafilm »Der alte und der junge König« (1935), ein Fridericus-Rex-Historienfilm, in dem es um die Verherrlichung des Gehorsamsprinzips geht. Dass Egon Brosig in diesem Film keinen ›edlen Preußen‹ spielt, sondern die Rolle eines – jüdischen – Wucherers, zeigt die Weite und durchaus auch Gebrochenheit seines schauspielerischen Selbstverständnisses.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Eine weitere zwiespältige Rolle in diesem Film war von einem Schlesier besetzt: der mehrfach begabte Friedrich Kayßler spielte Kattes Vater. 1874 im schlesischen Neurode geboren, lernte Kayßler am Breslauer Maria-Magdalenen-Gymnasium Christian Morgenstern kennen, dessen Gedichte Kayßler später vertonte. In Berlin war er am Deutschen Theater unter Max Reinhardt Bühnenschauspieler, zwischen 1918 bis 1923 Direktor der Freien Volksbühne. In dieser Zeit spielte Kayßler im Friedrich-Stummfilm »Fridericus Rex« (1922) mit, in dem er den preußischen Staatsminister Graf Finckenstein, einen der wenigen Vertrauten Friedrichs II., gab. Als Schriftsteller hinterließ er vor allem impressionistische Märchendramen und Lustspiele. Der Witz Kayßlers zeigt sich bereits in seinen Vertonungen berühmter Morgenstern-Gedichte, so u. a. von »Nasobem«, »Klabautermann«, »Der Schaukelstuhl auf verlassener Terrasse«: kongenial zu den Gedichten versah Kayßler die Partituren mit höchst originellen, fast schlesisch-barock überbordenden Spielanweisungen. Aus dem üblichen »Adagio«, »Andante«, »Largo« wird hier »Beängstigend zuschnürend«, »Gelangweilt«, »Schwebend, schwingend«, »Unbeirrbar«, »Rustikal hinschmelzend«, »Treu wandelnd«, »Jäh verstört«, »Gläsern gespenstisch«, »Innig pneumatisch emporquellend«, »Überdonnernd«.</span></div><br /><div style="font-family: Georgia,';"><span style="font-size: small;"><i>Fortsetzung am kommenden Montag.</i></span></div>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-23766365087835606462011-01-10T10:00:00.003+01:002011-01-10T10:00:02.888+01:00Friedrich der Große<div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Ohne Adolph Menzel wäre Friedrich der Große nicht denkbar. Oder anders ausgedrückt: <b>den</b> Friedrich, den wir heute zu erinnern meinen, hat Menzel durch seine Bilder erst erzeugt. Sie stehen zwischen uns und der historischen Figur, der die Bilder zur zweiten Haut geworden sind. Dass sie auch heute noch diese Wirksamkeit entfalten, liegt an ihrer Komplexität, ihrer atmosphärischen Dichte, an ihrem subtilen Witz, an ihrem Gestus der Hochschätzung Friedrichs, der ohne plumpes Pathos auskommt. All das wird im Buch ausführlich untersucht. Darin wird auch der Versuch unternommen, die Frage zu beantworten, warum es ausgerechnet immer wieder Schlesier, also Künstler und Schriftsteller aus Schlesien waren, die die Mythisierung Friedrichs betrieben haben. Dass der aus Breslau stammende Menzel dabei am differenziertesten vorgeht, macht seine Friedrich- und Preußenbilder, von denen einige in der Nationalgalerie hängen, bis heute sehr sehenswert und hält sie frisch.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Etwas anders sieht es da mit dem eine Generation später im schlesischen Glogau (1857) geborenen Richard Knötel aus. Knötel gilt als bedeutendster deutscher Historienmaler. Während seines Studiums an der Berliner Akademie wandte er sich der Geschichte des Militärs zu. Er illustrierte etliche militärische Werke, so die Abhandlung »Die preußische Armee von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart« (1883) oder das Militärbilderbuch »Die Kriegsheere Europas« (1888). Neben vielen Schlachtengemälden und dem Quellenwerk zur Uniformkunde in 18 Bänden hinterließ er zwei Erbauungsbücher: »Der alte Fritz in 50 Bildern für Jung und Alt« (1895) und »Die Königin Luise« (1896). Sie sind zeittypisch »Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser und Könige von Preußen in tiefster Ehrfurcht gewidmet«. Im Gegensatz zu Menzel ist Knötels Auffassung Friedrichs II. holzschnittartig: so ist er dargestellt als gutes, hilfsbereites Kind, als stolzer König, als ewiger Sieger der schlesischen Kriege, zwischendurch als heroisches Genie, das nach einer Niederlage umso strahlender wieder zu siegen versteht. So wie Königin Luise zu einer säkularen Mutter Maria stilisiert wird, wächst Friedrich auf dem Blatt »Bei Burkersdorf« zu einem säkularen St. Martin an, wenn er einem verletzten Soldaten ein Tuch reicht mit den Worten: <i>Du bist verwundet, mein Sohn, verbinde dich damit!</i><table class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TSXgGh3WJgI/AAAAAAAAAFM/fAV6kmCbMbQ/s1600/Richard%2BKn%25C3%25B6tel.JPG" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}"><img alt="" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5559095717833090562" src="http://4.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TSXgGh3WJgI/AAAAAAAAAFM/fAV6kmCbMbQ/s200/Richard%2BKn%25C3%25B6tel.JPG" style="cursor: pointer; float: right; height: 202px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 280px;" border="0" /></a></td></tr></tbody></table>Die menschlichen Züge, die Knötel Friedrich beigibt, wirken naiv und süßlich, das Pathos eindimensional, die Verehrungshaltung devot. Derartige affirmative Prachtbände und Volksausgaben waren für die unangenehme Vereinnahmung Friedrichs II. während der Kaiserzeit und später während der NS-Zeit sehr viel entscheidender als das vielschichtige Bild Friedrichs, das Menzel hinterließ und das zu Unrecht nach dem Zweiten Weltkrieg der Preußenapotheose geziehen wurde, die direkt ins Unheil führen musste. Das letzte größere Illustrationswerk Knötels, »Die Befreiungskriege«, erschien im Jahr 1913 ein Jahr vor seinem Tod. Pünktlich zur Jahrhundertfeier, so auch in der Jahrhunderthalle in Breslau, lag dieser Band vor, zur Feier der patriotischen Eruption, zur Feier der psychologischen Kriegsvorbereitung kurz vor dem Ersten Weltkrieg.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Heute ist Richard Knötels Werk Vergangenheit, Adolph Menzels Werk aber immer wieder frischeste Gegenwart.</span></div><br /><div style=";font-family:Georgia,';"><span style="font-size:small;"><i>Fortsetzung am kommenden Donnerstag.</i></span></div>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-24795126156084322152011-01-06T10:27:00.010+01:002011-01-07T15:10:56.436+01:00Theater<div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Im Buch wird es natürlich auch um Gerhart Hauptmanns dramatisches Wirken am Deutschen Theater und um sein Verhältnis zu Berlin und Schlesien gehen. An dieser Stelle sollen daher einige schlesische Vorläufer und Zeitgenossen Hauptmanns Erwähnung finden, die die Berliner Bühnenkunst entscheidend beeinflusst haben, deren Lorbeerkränze aber längst raschelnd verwelkt sind. Es ist schwierig, die Schauspielkunst vergangener Zeiten zu vergegenwärtigen. Man ist dabei auf die Einschätzungen prominenter Zeitgenossen angewiesen. So wurde der 1757 in Breslau geborene Schauspieler und Regisseur Ferdinand Fleck, der sich schon bei Schuldeklamationen am Breslauer Maria-Magdalenen-Gymnasium ausgezeichnet hatte, immerhin von Friedrich Schlegel als »erster tragischer Heros der deutschen Bühne« bezeichnet. Von Friedrich Wilhelm II. 1790 zum Regisseur des Königlichen Nationaltheaters ernannt, war Fleck einer der bedeutendsten Schauspieler des späten 18. Jahrhunderts. Ihm gelang in der Schauspielkunst, wie Langhans in der Architektur, eine glückliche Verbindung zwischen Romantik und Klassizismus.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Der 1793 aus dem schlesischen Glatz stammende Schauspieler Karl Seydelmann fand bereits im Zusammenhang mit dem Hedwigsfriedhof an der Liesenstraße Erwähnung. Nach seiner Zeit am Breslauer Stadttheater und einem unsteten Wanderleben wurde er 1838 für das preußische Hoftheater in Berlin engagiert, wo er - wichtig später für Gerhart Hauptmann - der realistischen Schauspielkunst zum Durchbruch verhalf.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Ebenfalls aus Schlesien kam der damals sehr populäre Schriftsteller, vor allem Dramatiker Ernst Raupach. 1784 in Straupitz bei Liegnitz geboren ließ er sich nach einem unsteten Leben 1824 in Berlin nieder. Sein Werk weist schlesische Charakteristika auf: mit der Herrscher-Verehrung, einem 16-teiligen Hohenstaufen-Zyklus, wollte er ein Nationales Theater begründen. Sein Sozialdrama »Der Müller und sein Kind« war so erfolgreich, dass es bis in 20. Jahrhundert auf den Spielplänen vieler Theater stand und oft regelmäßig zu Allerheiligen aufgeführt wurde. Doch nicht nur die ernste Gattung beherrschte Raupach. In seinen »Dramatischen Werken komischer Gattung« finden sich heute noch belustigende Dramen wie »Die feindlichen Brüder oder Homöopath und Allopath«. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof der Dreifaltigkeitsgemeinde am Halleschen Tor.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Heute noch zumindest ein wenig bekannt ist die 1862 in Breslau unter dem Namen Agnes Zaremba geborene Schauspielerin, die dann als Agnes Sorma weltweit große Erfolge feierte. Bereits mit dreizehn Jahren debütierte sie am Breslauer Lobe-Theater und kam dann 1884 ans Deutsche Theater in Berlin, wo sie in vielen Stücken Gerhart Hauptmanns mitwirkte. Ihr Mentor war Max Reinhardt, einer ihrer jugendlichen Verehrer der Student Thomas Mann.</span></div><br /><table class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TSWPbdEzv6I/AAAAAAAAAFE/ZXXDfJpLUmo/s1600/12-10%2BKroner%2BHauptmann.JPG" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}"><img alt="" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5559007016882782114" src="http://4.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TSWPbdEzv6I/AAAAAAAAAFE/ZXXDfJpLUmo/s200/12-10%2BKroner%2BHauptmann.JPG" style="cursor: pointer; float: right; height: 280px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 202px;" border="0" /></a></td></tr></tbody></table><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Im Foyer des Deutschen Theaters steht eine Büste Gerhart Hauptmanns, geschaffen 1913 vom Bildhauer Kurt Kroner. Kroner, 1885 geboren, stammte aus einer Breslauer Rabbinerfamilie. Den sozialreformerischen Ideen und dem kulturellen Aufbruch nach dem Ersten Weltkrieg zugewandt, fertigte er Porträtbüsten von Karl Liebknecht, Ernst Toller, Erich Mühsam und vielen anderen Kulturschaffenden an. Die Büste Hauptmanns schuf er nach dessen Nobelpreisverleihung im Auftrag von Max Reinhardt. Gerhart Hauptmann schreibt über Kroners Kunst: <blockquote>Welcher Adel liegt in der Ruhe der Plastik, entfernt von der flirrenden, flatternden Belebungsjagd und Kinohaftigkeit unserer Zeit! [...] Wenn man die Kroner'schen Ansätze sieht und das manchmal schöne Gelingen darin, so hat man das Ringen der Plastik unserer Zeit. Man hat darin überhaupt unsere Zeit: Gestalten, die wirr mit den Armen um sich schlagen, Köpfe von ägyptischer Treue, ein Stück Griechenland, etwa in den Formen eines Frauenleibes.</blockquote> Dann schreibt Hauptmann etwas über Kroners Kunst, das vielleicht das Beste ist, was sich über Kunst überhaupt sagen lässt: <blockquote>Sie nötigt mir immer wieder ein großes Interesse ab. Das Problematische an ihr bleibt das dauernd Anregende.</blockquote> (Kurt Kroner, Berlin 1927, Vorwort)</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Weitere Werke Kroners in Berlin befinden sich in der Nationalgalerie, im Deutschen Historischen Museum, im Jüdischen Museum und nicht zuletzt auf Kroners eigenem Grab auf dem Stahnsdorfer Friedhof: die lebensgroße Plastik »Der Trauernde«.</span></div><br /><div style=";font-family:Georgia,';"><span style="font-size:small;"><i>Fortsetzung am kommenden Montag.</i></span></div>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-73485318719485310172011-01-03T09:57:00.003+01:002011-01-03T10:28:36.479+01:00Riesengebirge in Berlin<div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Carl Gotthard Langhans war nicht nur ein bedeutender Baumeister, er tat sich in Berlin auch als – schneisenschlagender – Städteplaner hervor. Viele Architekten und Städtebauer des 19. und 20. Jahrhunderts gaben Berlin sein immer wieder wechselndes Gesicht. Einer der wichtigsten war der heute fast gänzlich in Vergessenheit geratene Hermann Mächtig. 1837 in Breslau geboren, erhielt er dort und in der Königlichen Gärtnerlehranstalt in Potsdam-Wildpark seine Ausbildung zum Gärtner. Zunächst arbeitete er in den Potsdamer Gärten unter Peter Joseph Lenné und Gustav Meyer, wurde 1870 dortiger Hofgärtner, bis er ab 1878 bis zu seinem Tod 1909 das Amt des Stadtgartendirektors in Berlin bekleidete. Wichtiges Anliegen war ihm, »Volksgärten« im landschaftsgärtnerischen Stil anzulegen, denn Gärten und Parks sollten nach Mächtigs Auffassung »Stätten der Bewegung, der Erholung, Orte geselliger Unterhaltung, auch des Naturgenusses, der Bildung und der Veredelung der Sitten« sein. Eine Vielzahl heute noch existierender Plätze und Parks in Berlin geht auf Mächtigs Planung, Verschönerung und Umgestaltung zurück, so der Treptower Park, der Pariser Platz, der Zentralfriedhof Friedrichsfelde, auf dem sich auch Mächtigs denkmalgeschütztes Grab befindet, der Leopoldplatz, der Senefelderplatz, der Wilhelmplatz, die Umgestaltung der Schloßstraße in Charlottenburg, der Kollwitzplatz, der Gendarmenmarkt, der seit 1848 bestehende Friedhof der Märzgefallenen, der 1900 von Mächtig wiederhergestellt und verschönert wurde, der Lützowplatz, der Arnswalder Platz, der Arnimplatz und der Brunnenplatz. Eine Straße in Potsdam wurde nach Hermann Mächtig benannt.</span></div><br /><table class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TSGWVnOi7OI/AAAAAAAAAE0/qUV39GAfpUw/s1600/12-10%2BViktoriapark.JPG" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}"><img alt="" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5557888713203313890" src="http://4.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TSGWVnOi7OI/AAAAAAAAAE0/qUV39GAfpUw/s200/12-10%2BViktoriapark.JPG" style="cursor: pointer; float: right; height: 280px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 202px;" border="0" /></a></td></tr></tbody></table><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Im Zeitalter der Industrialisierung bemühte sich Mächtig darum, kleinere und größere urbane Zentren in Berlin gärtnerisch zu gestalten, um der dichtgedrängten Bevölkerung Plätze zum Atmen zu verschaffen. Ein auch heute noch besonders augenfälliges Beispiel dafür ist der Viktoriapark auf dem Kreuzberg. Bereits 1821 errichtete Schinkel auf der Kuppe des Kreuzbergs das Nationaldenkmal zur Erinnerung an die Befreiungskriege 1813. Aber erst über sechzig Jahre später wurde Hermann Mächtig mit der Gestaltung des gesamten Hügelterrains beauftragt. Zwischen 1888 und 1894 legte er den Landschaftsgarten mit geschlängelten Wegen an. Zur Betonung des Nationaldenkmals ersann er in der Hauptblickrichtung von der Großbeerenstraße her die Anlage eines Wasserfalls, der zweierlei Implikationen vereinigte: einmal sollte der Wasserfall an sich erhabene Gefühle auslösen und damit zu Emphase des Nationalen beitragen. Zum anderen ist er eine Miniaturnachbildung eines existierenden Wasserfalles. Seinem Entwurf ist, so Mächtig, »ein den angeführten Bedingungen entsprechender Wasserfall im Riesengebirge zu Grunde gelegt«. Belegt ist auch eine Dienstreise Mächtigs während er Planungszeit nach Hirschberg. Umstritten ist heute bloß, ob es sich beim Viktoriapark um eine Nachbildung des Zackelfalls, des Heynfalls oder eines anderen Wasserfalls in der Umgebung von Hirschberg handelt. Auch Reisen ins Riesengebirge waren im 19. Jahrhundert übrigens von nationaler Bedeutung, hatten seit Friedrich Wilhelm III. doch die preußischen Könige mit ihren Schlössern und Gärten das Hirschberger Tal in ein preußisches Elysium verwandelt. Im ausgehenden 19. Jahrhundert waren es auch immer mehr wohlhabende Berliner, die zur Erholung ins Riesengebirge reisten. Für all diejenigen aber, die sich solch Fahrten nicht leisten konnten, unter anderem auch die Arbeitsmigranten aus Schlesien, die sich im schlesischen Viertel in Kreuzberg drängten, baute Hermann Mächtig ein Riesengebirge <i>en miniature</i> mit einem Wasserfall, klein genug, die Ausmaße eines städtischen Parks nicht zu sprengen, und groß genug, Erhabenheits-, Sehnsuchts- und Nationalgefühle auszulösen.</span></div><br /><div style=";font-family:Georgia,';"><span style="font-size:small;"><i>Fortsetzung am kommenden Donnerstag.</i></span></div>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-73777686435813880122010-12-30T10:00:00.001+01:002011-01-03T09:57:40.072+01:00Brandenburger Tor<table class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="http://2.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TRw34S-KniI/AAAAAAAAAEc/8FIEJQmDFSM/s1600/11-10%2BU-Bahnfenster.JPG" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}"><img alt="" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5556377480573132322" src="http://2.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TRw34S-KniI/AAAAAAAAAEc/8FIEJQmDFSM/s200/11-10%2BU-Bahnfenster.JPG" style="cursor: pointer; float: right; height: 280px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 202px;" border="0" /></a></td></tr></tbody></table><table class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TRw4M7F-3NI/AAAAAAAAAEk/C6UQo3KRL8E/s1600/11-10%2BBrand.%2BTor%2B14.JPG" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}"><img alt="" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5556377834940718290" src="http://4.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TRw4M7F-3NI/AAAAAAAAAEk/C6UQo3KRL8E/s200/11-10%2BBrand.%2BTor%2B14.JPG" style="cursor: pointer; float: right; height: 202px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 280px;" border="0" /></a></td></tr></tbody></table><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Das Brandenburger Tor ist ein Gradmesser, ein Seismograph für deutsche Befindlichkeiten. Die dortige Silvesterfeier 1989/1990 erging sich in Euphorie, die Silvesterfeier im Jahr darauf in Depression, bis sich die Stimmung langsam in einer Mittellage einpendelte. Ohne das Brandenburger Tor wäre Berlin kaum vorstellbar. Es ist beinahe gar kein Gebäude mehr, sondern eine Stadtikone, die in unausdenkbar vielen Variationen durch die Stadt geistert. Das Bauwerk ist ein Logo geworden. Es bedeckt in Kleinformat die Fenster der Berliner U-Bahnen, ziert rot auf gelbem Grund sehr stilisiert die Schnauze der Berliner Busse, es findet sich verformt mit bunten, herausgelösten, flott hingetuschten Säulen über die ganze Stadt verteilt, sogar gusseisern auf Gullideckeln. Junge Akrobaten studieren im Schul-Zirkus die Nummer <i>Brandenburger Tor</i> ein - die Pfeiler aus aufrechtstehenden, die Attika aus darübergelegten Körpern. Die größten Triumphe der Nachbildung feiert es allerdings in den Touristenläden Unter den Linden. In Regalen, die selbst auch das Brandenburger Tor nachbilden, finden sich Teller, Trinkgefäße aller Art, von Zinnhumpen, über Keramikbecher bis hin zu geschliffenen Gläsern, vergoldete Schmuckanhänger, Aschenbecher, Porzellanglocken, Pergamentrollennachbildungen aus einem undefinierbaren Material, Pillendöschen und Fingerhüte, Porzellansenftöpfchen, Briefbeschwerer und Schneekugeln, batterieweise in allen Größen, die das Brandenburger Tor ab- und nachbilden. Es schneit wunderschön in diesen Kugeln, weiß und grünglitzernd.<table class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TRw6W8vBn9I/AAAAAAAAAEs/EaycRf3puDA/s1600/11-10%2BBrand.%2BTor%2B9.JPG" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}"><img alt="" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5556380206203248594" src="http://3.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TRw6W8vBn9I/AAAAAAAAAEs/EaycRf3puDA/s200/11-10%2BBrand.%2BTor%2B9.JPG" style="cursor: pointer; float: right; height: 280px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 202px;" border="0" /></a></td></tr></tbody></table>Vor den Geschäften steht ein Prägeautomat und verwandelt das Eichenblatt des 2-Cent- oder 5-Cent-Stücks in ein Brandenburger Tor, damit die Kupfermünzen den 10-, 20- und 50-Centmünzen ähnlicher werden. Vor dem Brandenburger Tor selbst, dessen reale, physische Existenz man nach den vielen Devotionalien kaum noch glauben kann, ballen sich dann karnevaleske Geschichtskürzel: ein Vopo posiert neben einem amerikanischen GI, ein Berliner Bär neben einem Indianer, ein NVA-Mann neben einem futuristischen Ritter-Monster, während Bürgerrechtsgruppen aus aller Welt oder Tierschützer auf ihre Belange hinweisen.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Das Brandenburger Tor kennt jeder. Seinen Erbauer aber kennen nur wenige. Der Architekt Carl Gotthard Langhans, der beileibe nicht nur dieses Wahrzeichen erbaut hat, hat es in Berlin nicht einmal zur Benennung einer Straße gebracht. Anders als die Langhansstraße in Potsdam geht die Langhansstraße in Pankow-Weißensee nämlich nicht auf ihn zurück. Keine Gedenktafel, keine Schulbenennung weist auf ihn hin. Beerdigt wurde er in Breslau-Grüneiche, geboren im schlesischen Landeshut. Viele Bauwerke schuf er in Schlesien, viele in Berlin und Umgebung. Aber schon im 19. Jahrhundert wurde sein Name von Schinkels Namen verdunkelt. Das ist schade. Denn Langhans' Werk markiert die Schnittstelle zwischen Barock und Klassizismus. Es ist so mannigfaltig, dass es wieder entdeckt werden sollte. Das Buch macht sich auf diese Reise.</span></div><br /><div style=";font-family:Georgia,';"><span style="font-size:small;"><i>Fortsetzung am kommenden Montag.</i></span></div>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-72500742602033832542010-12-23T09:46:00.002+01:002010-12-23T10:01:30.949+01:00Silesia cantat<div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Wie sagte ein aus dem Erzgebirge stammender Freund spöttisch, nachdem er das Weihnachtslied »wann das Rachermandel nabelt« (also: wenn das Räuchermännchen nebelt) zum Besten gegeben hatte? Gebirgsgegenden sind immer weihnachtsverdächtig. Das galt in hohem Maße auch für Schlesien. Immer wieder Berge, viel Gemüt, viel Brauchtum. Meine Mutter erzählt aus ihrem Dorf in Mittelschlesien, dass es dort üblich gewesen sei, in der Dämmerstunde des Heiligen Abends auf die Felder zu gehen und das Christkind mit der Flinte vom Himmel zu schießen.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Der gesangliche Höhepunkt des Weihnachtsabends in unserer Familie im Ruhrgebiet bestand, nachdem alle üblichen bekannten Weihnachtslieder gesungen worden waren, im Anstimmen zweier Lieder aus Schlesien. Einmal eine Vertonung des Eichendorff-Gedichts »Markt und Straßen stehn verlassen«, an dem mich die Perspektive des einsam durch die verschneiten Straßen einer Stadt stapfenden Wanderers stets begeisterte, <i>an den Fenstern haben Frauen buntes Spielzeug fromm geschmückt</i>, eines Wanderes, der dann die Stadtmauern verließ, <i>tausend Kindlein stehn und schauen, sind so wunderstill beglückt</i>, um in des Schnees Einsamkeit der Felder das wahre Geheimnis dieser <i>gnadenreichen Zeit</i> zu erfahren, während von draußen der Regen eines atlantischen Tiefausläufers an die Fenster schlug.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Und zum anderen das Lied »O du heilige, stille Nacht«, überliefert von meiner Großmutter aus dem Hultschiner Ländchen, ein Weihnachtslied, das so süßlich und alt-österreichisch klang, als entstammten die Jubelchöre der Weihnachtsengel mit ihren tremolierenden Girlanden direkt den katholischen Kirchenchören von Zauditz und Tröm. So sehr man sich auch dagegen wehrte: diese beiden Weihnachtslieder sprachen immer wieder das Gemüt an. Bevor dieses aber übermächtig werden konnte, belustigte uns der unglaublich pragmatische Realitätsgehalt eines bekannteren Weihnachtsliedes aus Oberschlesien, »Auf dem Berge, da wehet der Wind«, wenn es in dem Dialog zwischen Maria und Joseph heißt: »Ach, Joseph, lieber Joseph mein, ach hilf mir doch wiegen mein Kindelein!« »Wie soll ich dir helfen dein Kindlein wieg'n? Ich kann ja kaum selber die Finger bieg'n.« Um diesen Konflikt in ein zahnlos-süßliches »Schumschei, schumschei« einmünden zu lassen.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Kirchenchöre in Berlin und andernorts singen zur Weihnachtszeit immer wieder gerne Werke des Organisten und Kirchenmusikers Carl Thiel, der 1862 im schlesischen Klein-Öls geboren wurde, in Berlin wirkte und dessen vier- bis fünfstimmigen Chorsätze von »Ich steh an deiner Krippen hier«, »Freu dich, Erd- und Sternenzelt« und »Vom Himmel hoch, ihr Engel kommt« und vor allem »In dulci jubilo« sich großer Beliebtheit erfreuen. Aber der unbestrittene Höhepunkt eines jeden hellen und strahlenden Weihnachtsmorgens ist das »Transeamus«. Der Ursprung dieses Hirtenliedes liegt im Dunkeln, <i>Transeamus usque Bethlehem</i>, vermutlich entstand es aus einem liturgischen Krippenspiel in einem schlesischen Kloster, <i>et videamus hoc verbum quod factum est</i>, wurde dann nach Breslau überliefert und vermutlich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in die heute bekannte Form gebracht, <i>Mariam et Joseph et Infantem positum in praesepio</i>, bis dann das Stimmenmaterial des weihnachtlichen Chorwerks von dem letzten deutschen Domkapellmeister Paul Blaschke 1945 aus dem Breslauer Dom nach Westdeutschland gebracht werden konnte, <i>Transeamus et videamus quod factum est</i>.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Das »Transeamus« ist pathetisch und weich zugleich, sein Bass ist großartig und seine Sopranstimmen klingen festlich und hell. Es ist nicht nur weihnachtsverdächtig, es verbreitet eine jubelnde Weihnachtsfreude, die länger nachhallt: <i>Gloria in excelsis Deo, et in terra pax hominibus bonae voluntatis</i>.</span></div><br /><div style="font-family: Georgia,';"><span style="font-size: small;"><i>Fortsetzung am kommenden Donnerstag.</i></span></div>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-48326362498633082072010-12-20T10:00:00.001+01:002010-12-20T10:00:05.142+01:00Schlesische Weißwürste<div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Schlesische Weißwürste waren das traditionelle Essen zu Heiligabend und Silvester in Schlesien. Sie bestehen aus Kalbfleisch, heute auch oft aus Schweinefleisch, sowie aus Schweinespeck, beide Bestandteile extrem fein unter Beigabe von Eis gekuttert, d. h. feiner als mit dem Fleischwolf zerkleinert. Entweder erhitzt man die Würste langsam im Wasser oder brät sie in Butter. Dieses typisch schlesische Heiligabendessen wird zusammen mit Kartoffeln oder Kartoffelbrei und Sauerkraut serviert.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >In Berlin und Umgebung gibt es mehrere Fleischereien, die zur Weihnachtszeit schlesische Weißwürste anbieten, so die Neuland-Fleischerei Bachhuber, die Wurstabteilung des Kadewe und andere Fleischereien. Zum Beispiel die Fleischerei Grönke. Sie betreibt das Geschäft heute in dritter Generation, zog von der Bernauer Straße nach dem Zweiten Weltkrieg zum Prenzlauer Berg und von dort im Jahr 2004 nach Hohen Neuendorf ins nördliche Berliner Umland. Die Tradition, jährlich zur Weihnachtszeit schlesische Weißwürste herzustellen, etablierte sich schon vor etlichen Jahrzehnten. Da der Großvater des heutigen Betreibers aus Schlesien stammte, brachte er von dort das Rezept für die Würste mit. Diese werden hier aus Schweinefleisch unter Zusatz von frischem Zitronensaft und frischer Petersilie hergestellt. Ein Teil der Kunden kannte und kennt diese schlesische Weihnachtstradition aus eigener Erfahrung. Aber auch viele Berliner und Brandenburger, denen diese Würste zunächst fremd waren, kauften sie aus Neugierde. Da sie großen Anklang finden, müssen die Würste zur Weihnachtszeit immer vorbestellt werden und sind schnell ausverkauft. Ein Bekannter des Fleischers schlug aufgrund der Beliebtheit der Würste einmal vor, diese immer im Angebot zu führen. Diesen Wunsch musste der Fleischer ihm aber abschlagen: »Nein, schlesische Weißwürste gibt es nur zu Weihnachten. Das ist und bleibt etwas ganz Besonderes.«</span></div><br /><table class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TQ6QQrL07AI/AAAAAAAAAEQ/zIK6qd1fRGA/s1600/Ullrichs%2BFleischerei.jpg" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}"><img alt="" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5552534006739037186" src="http://3.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TQ6QQrL07AI/AAAAAAAAAEQ/zIK6qd1fRGA/s200/Ullrichs%2BFleischerei.jpg" style="cursor: pointer; float: right; height: 202px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 280px;" border="0" /></a></td></tr></tbody></table><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Die Fleischerei Ullrich in Tempelhof, ein Familienbetrieb, bietet seit 1967 ganzjährig schlesische Wurstwaren an. Sie führt ständig vier bis fünf verschiedene schlesische Wurstsorten, so u. a. schlesische Wellwurst, schlesische Schinkenkrakauer, Breslauer, und zur Weihnachtszeit natürlich auch schlesische Weißwurst, aus Kalbfleisch hergestellt und mit Zitrone und Petersilie verfeinert. Eigene familiäre Bezüge des heutigen Fleischermeisters zu Schlesien gibt es nicht. Sein Vater hatte jedoch in Wittenberg bei einem schlesischen Fleischer gelernt und danach in verschiedenen Berliner Fleischereien gearbeitet, die von Schlesiern betrieben wurden. Erst dann machte der Vater sich selbstständig und nutzte sein schlesisches Fachwissen, um seinem Geschäft diese besondere Ausrichtung zu geben. Der Sohn führt die Tradition fort. Viele Kunden, die schlesische Wurzeln haben, kaufen bei ihm. Hin und wieder belieferte die Fleischerei Treffen des Schlesierverbandes im Deutschlandhaus mit Wellwurst und anderen schlesischen Spezialitäten. Ein zusätzlicher Wurststand in der Arminius-Markthalle führte zu einer großen Beliebtheit der schlesischen Wurstwaren auch in Berlin-Moabit.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Besonderer Beliebtheit erfreuen sich die schlesischen Blut- und Leberwürste mit dem dazugehörigen Sauerkraut. Die Fleischerei erhielt schon etliche bundesweite Auszeichnungen, vor allem für ihre schlesischen Wurstwaren, mehrfach hintereinander wurde ihr sogar der Titel »Berliner Bratwurstmeister« verliehen. Was sagte mir der Fleischermeister? Nach dem Krieg seien ja fast zwei Drittel aller Berliner Fleischer Schlesier gewesen. Und, wie es unter Fleischern hieß: »Jeder gute Berliner Fleischer kommt aus Schlesien.«</span></div><br /><div style="font-family: Georgia,';"><span style="font-size: small;"><i>Fortsetzung am kommenden Donnerstag.</i></span></div>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com4tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-53498677798467732362010-12-16T10:00:00.002+01:002010-12-19T23:56:28.573+01:00Mohn<table class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="http://4.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TQjI7aXgmmI/AAAAAAAAAEA/kQgFdv5xlc0/s1600/11-10%2BB%25C3%25A4ckerei%2BHutzelmann%2BWilmersdorfer%2BStr.%2B19.JPG" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}"><img alt="" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5550907463749900898" src="http://4.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TQjI7aXgmmI/AAAAAAAAAEA/kQgFdv5xlc0/s200/11-10%2BB%25C3%25A4ckerei%2BHutzelmann%2BWilmersdorfer%2BStr.%2B19.JPG" style="cursor: pointer; float: right; height: 280px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 202px;" border="0" /></a></td></tr></tbody></table><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Die Bäckerei Hutzelmann in Charlottenburg nennt sich »Schlesische Backstube«. Seit den zwanziger Jahren in Familienbesitz, existiert der Laden in der Wilmersdorfer Straße seit 1957. Der Großvater der heutigen Bäckerin kommt aus der Oppelner Gegend und hat von dort die schlesischen Backrezepte mitgebracht. Die Bäckerei bietet verschiedene Mohnkuchen, preisgekrönte Mohnstollen, Liegnitzer Bomben, schlesischen Butterstreußel in mehreren Variationen und schlesische Quarkpiroggen an. Überhaupt wird viel mit Hefe gebacken. Die Kunden sind zum Teil Berliner Anwohner, zum Teil kommen sie auch von weiter her gezielt in diese Bäckerei, weil sie schlesische Wurzeln oder eine besondere Vorliebe für schlesisches Backwerk haben. Bis in die achtziger Jahre hinein, so erzählt die Bäckerin, sei der Satz »Jeder gute Berliner Bäcker kommt aus Schlesien« zu Recht im Umlauf gewesen. Nun seien sie die einzige Backstube dieser Art in Berlin. Zu ihrer großen Freude habe sie eine Bezugsquelle für Mohn aus der Umgebung von Breslau aufgetan, wo es den guten Blaumohn gibt, der dann in der Backstube nach traditionellem Verfahren lange in einem großen Kessel gebrüht wird. Man schmeckt es.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Mohnklöße bilden zum traditionellen schlesischen Weihnachts- und Silvesteressen den Nachtisch. Sie bestehen aus Mohn, eingeweichten Brötchen, Mandeln und Rosinen in süßer Milch. Ein Schuss Rum nimmt dem Gericht das Klebrige und macht es pfiffiger. Dem berühmten, aus Breslau stammenden Theaterkritiker Alfred Kerr, der 1887 von Schlesien nach Berlin ging und sich dort wie ein Fisch im Wasser tummelte, fehlten in der deutschen Hauptstadt zu seinem Vollglück nur zwei Dinge, derer er sich mit Wehmut erinnert: Bauerbissen, also eine Art großer Pfefferkuchen, und schlesische Mohnklöße: <blockquote>»Bauerbissen, sicher der erdgerüchigste aller Pfefferkuchen, den man in Schlesien für einen Sechser pfundweise fröhlich aß, er lässt sich nicht aus der Erde stampfen. Verschollen sind die Tage, wo uns die Kinnbacken schmerzten, vom vielen Kauen des frischen, weichen Zeugs. Bauerbissen, du bist ein Mythus, du lächelst herüber aus der Geisterwelt, grüßend und dich neigend und einsam verschwindend. Bauerbissen, du bist die Vergänglichkeit. Bauerbissen, du bist die Ahnung des ersten grauen Haars. Bauerbissen, nie werde ich dich wieder so fressen (es muss heraus, das schändliche Wort) wie einst im Dezember. Bauerbissen, was hier unter deinem Namen verschleißt wird, ist altes Leder. Die Zähne bricht man sich aus; und es schmeckt nach Wichse.«</blockquote></span></div><br /><table class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TQjR1d6_ziI/AAAAAAAAAEI/L6pYI7IPNTQ/s1600/800px-Gedenktafel_H%25C3%25B6hmannstr_6_%2528Grunew%2529_Alfred_Kerr.JPG" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}"><img alt="" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5550917257229487650" src="http://3.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TQjR1d6_ziI/AAAAAAAAAEI/L6pYI7IPNTQ/s200/800px-Gedenktafel_H%25C3%25B6hmannstr_6_%2528Grunew%2529_Alfred_Kerr.JPG" style="cursor: pointer; float: right; height: 202px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 280px;" border="0" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"><div class="MsoNormal" style="font-family: Georgia,'Times New Roman',serif; line-height: 200%; text-align: left;">Gedenktafel für Alfred Kerr am Haus<br />Höhmannstraße 6 in Berlin-Grunewald</div></td></tr></tbody></table><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Und auch der Vergleich der schlesischen Mohnklöße mit den Berliner Mohnpielen fällt für letztere verheerend aus: <blockquote>»Und auch ihr, meine lieben Mohnklöße, seid eine Melancholie, ein Märchen aus alten Zeiten. Ihr seid versunkene Kränze. Semmel im Wasser mit schwarzem Mohn und Vanille, darin liegt eure Größe. Hier nennt man euch – uäh, uäh! – Mohnpielen. Das ist die gemengte Speise aus süßlichem Rosenwasser, mit kleinen glitschigen Würfelchen und weißem fadem Mohn und etwas Zucker, und schmeckt nach nichts. [..] Mohnklöße meiner Jugend, lebt wohl. Zieht hinab den leuchtenden Strom der Vergänglichkeit, in die Dämmerung, in die seltsam dunkle Ferne, wo die große Stille herrscht.« (Alfred Kerr, Mein Berlin. Schauplätze einer Metropole, S.<fa>153f.)</fa></blockquote></span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Auch bei Fontane spielen Mohnpielen eine Rolle, in seinem Romanerstling <i>Vor dem Sturm</i> nämlich, und auch hier ist die Rolle fragwürdig. In dem Kapitel »Bei Frau Hulen« (3. Band, 4. Kapitel) lädt Frau Hulen, die Berliner Zimmerwirtin des adligen Protagonisten, Gäste ein und bewirtet sie mit etlichen Gerichten. Mohnpielen, »auf dem Mohn eine dichte Lage von gestoßenem Zimt«, werden hier als erster Gang gereicht. Die ganze Szene ist als Zerrspiegelung des Gesellschaftslebens der großen Welt auf Kleinbürgerniveau angelegt. Gespräche misslingen, Eitelkeiten werden verletzt, Bildungsgehabe misstrauisch beäugt. Es ist ein Kabinettstückchen der Abgrenzung von millimeterfeinen Standesunterschieden. Zum Schluss ist nur Frau Hulen restlos zufrieden. Alle anderen Gäste streben auf der Straße auseinander und versichern sich ehepaarweise, das man dort nicht mehr hingehen könne. Und ein besonders triftiges Argument dabei lautet: <blockquote>»Die Hulen ist eine gute Frau, aber was waren das für Pilen? Semmelstücke, und das bißchen Mohn kratzig und multrig.«</blockquote></span></div><br /><div style="font-family: Georgia,';"><span style="font-size: small;"><i>Fortsetzung am kommenden Montag.</i></span></div>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-31660795906882849042010-12-13T10:56:00.007+01:002011-01-06T17:37:23.227+01:00Schlesische Musik<div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Im Jahr 2001 erschien im Wißner-Verlag das <em>Schlesische Musiklexikon</em>, herausgegeben von Lothar Erbrecht-Hoffmann. Auf beinahe tausend Seiten drängen sich Namen, biographische Angaben, Werkverzeichnisse von Komponisten, Musikern und Musikwissenschaftlern aus Schlesien, die dort und andernorts wirkten. Viele von ihnen kamen im 19. Jahrhundert und später nach Berlin, wirkten hier und prägten die Berliner Musiklandschaft entscheidend.</span></div><br /><a href="http://2.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TQYlni0_sKI/AAAAAAAAADo/rUHZ35GUofk/s1600/Stern_Julius.jpg"><img style="MARGIN: 0px 0px 10px 10px; WIDTH: 230px; FLOAT: right; HEIGHT: 280px; CURSOR: hand" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5550164952074924194" border="0" alt="" src="http://2.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TQYlni0_sKI/AAAAAAAAADo/rUHZ35GUofk/s320/Stern_Julius.jpg" /></a><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >So der Komponist und Musikpädagoge <b>Julius Stern</b>, 1820 in Breslau geboren, der bereits 1832 nach Berlin kam, durch ein Stipendium Friedrich Wilhelms IV. gefördert wurde und 1847 einen eigenen Gesangsverein gründete, der eine ernsthafte Konkurrenz zur berühmten Berliner Sing-Akademie darstellte. Werke von Felix Mendelsohn-Bartholdy und Beethoven wurden dort aufgeführt. 1850 gründete er eine Musikschule, das spätere <em>Stern'sche Konservatorium</em>, eine bedeutende Ausbildungsstätte für musikalischen Nachwuchs in Berlin - übrigens auch heute noch. Die entsprechende Einrichtung der Universität der Künste (UdK) trägt den Namen <em>Julius-Stern-Institut für musikalische Nachwuchsförderung</em>. Sterns Grab befindet sich auf dem jüdischen Friedhof in Weißensee.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Es ist müßig, alle aus Schlesien stammenden Musiker und Komponisten, die in Berlin wirkten, aufzuzählen. Die Liste wäre unübersichtlich lang und doch immer unvollständig. Einige große Namen finden sich auch im Buch. Nur wenige sollen hier erwähnt werden. Es ist erstaunlich, wie viele Organisten, die in Berlin tätig waren, aus Schlesien stammten, so Heinrich Reimann, 1850 im schlesischen Rengersdorf geboren, der zunächst Organist der Berliner Philharmonie, dann der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche war. Oder Otto Dienel, 1839 in Tiefenfurt im Kreis Bunzlau geboren, Organist der Berliner Marienkirche, der um 1900 der bekannteste Organist Berlins war. Der Aufstieg Dienels vom kleinbürgerlichen Kantorensohn aus der niederschlesischen Provinz zum angesehenen Berliner Bildungsbürger ist fast exemplarisch zu verstehen: im Buch werden ähnliche Karrieren im Zusammenhang mit Adolph Menzel und August Borsig nachgezeichnet.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Otto Dienels Bekannt- und Beliebtheit war auch seinen kostenlosen »Orgelvorträgen« geschuldet, die er immer mittwochs abhielt und die aufgrund ihrer Lebendigkeit und Improvisationsfreudigkeit bei Zuhörern aller Schichten derart beliebt waren, dass die Marienkirche oft polizeilich geschlossen werden musste, da sie die heranpilgernden Massen nicht mehr fassen konnte. Wer seine Choralbearbeitung »Wer nur den lieben Gott läßt walten« hört, kann die damalige Begeisterung teilen: mit leichter Hand gelingt es ihm, den ernsten, strengen Bachchoral mit spätromantischen Ornamenten zu umgeben, ja beinahe impressionistisch zu betupfen, was den Choral in einen musikalischen Schwebezustand versetzt.</span></div><br /><a href="http://1.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TQYreTcjDQI/AAAAAAAAAD4/yi9uVVphO7g/s1600/Ansorge_Conrad.jpg"><img style="MARGIN: 0px 0px 10px 10px; WIDTH: 215px; FLOAT: right; HEIGHT: 320px; CURSOR: hand" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5550171390396796162" border="0" alt="" src="http://1.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TQYreTcjDQI/AAAAAAAAAD4/yi9uVVphO7g/s320/Ansorge_Conrad.jpg" /></a><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Auch der 1862 in Liebau bei Landeshut geborene <b>Conrad Ansorge</b> war ein spätromatischer Komponist, wenngleich nicht Organist, sondern Pianist. Seine »Traumbilder« (Op. 8) mit den elegischen Zwischentiteln »Erinnerung«, »Vergangenheit«, »Zu spät (nach Lenau)« sind von eingängigen Harmonien ohne Schärfe geprägt, sie sind weich, gefühlsbetont, an manchen Stellen beinahe süßlich. Mit den Musikern und Komponisten aus Schlesien kam ein anderer Ton in das preußisch-karge Berlin, etwas weniger Hartes, eine noch eher aus Österreich stammende Tradition, etwas Gefühlvolleres, Seelenvolleres. Diese neuen Töne der Gemütstiefe fielen in Berlin auf fruchtbaren Boden. Das Ehrengrab für Conrad Ansorge auf dem Friedhof an der Heerstraße und die Gedenktafel an seinem Haus Nußbaumallee 27 in Berlin-Westend zeugen davon ebenso wie das prunkvolle Grab des heute zu Unrecht fast vergessenen Otto Dienel auf dem Friedhof an der Bergstraße in Steglitz, das ihm seine dankbaren Schüler errichteten.</span></div><br /><span style="font-size:78%;">Beide Abbildungen: © </span><a href="http://edocs.ub.uni-frankfurt.de/manskopf/" target=_blank><span style="font-size:78%;">Universitätsbibliothek Frankfurt am Main – Porträtsammlung Friedrich Nicolas Manskopf</span></a><span style="font-size:78%;">, mit freundlicher Genehmigung der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main</span>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-39748128598596697182010-12-09T10:00:00.003+01:002011-01-06T17:41:40.089+01:00Eulen nach Berlin<div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Im Buch <em>Jeder zweite Berliner. Schlesische Spuren in Berlin</em> wird es um viele Phänomene gehen, die mit schlesischen Einflüssen auf die Stadt in Verbindung stehen. Damit die Fülle des Materials nicht einfach aneinandergereiht wird, soll das Wagnis unternommen werden, sozusagen schlesische Charakteristika herauszupräparieren. Dabei kehren immer vier Punkte wieder: verehrende oder auch kritische Bezugnahme auf die Hohenzollern, ein großes Interesse für soziale Belange, religiöse Züge und ein spezifischer Witz.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Alle diese vier Punkte finden sich auch im Werk des zeitgenössischen Bildhauers Günter Anlauf, der 1924 im Kreis Bunzlau geboren wurde und der vor zehn Jahren starb. Vor allem über ganz Westberlin verteilt sind die Spuren seines Wirkens. Von seinem Autobahnbären hatten wir bereits gehört. Wie aber bezieht er sich auf die Hohenzollern? Hier reicht der Bogen von der »Bildsäule eines Kurfürsten« (1971), Denkmal des Absolutismus mit leerem Gesicht und Allongeperücke als Säulenstumpf, über vier Attikafiguren der Künste (1971/73) auf dem östlichen Flügel des Schlosses Charlottenburg zu dem Pickelhauben-Stehauf-Klotz »Mars« (1970) mit Schild und Schwert. Seine Preußenkritik wird in dem zugehörigen Vers deutlich:<blockquote>»Helm und Schwert und Schild - erst prima gedrillt. Schild und Helm und Schwert - dann mächtig ausgezehrt. Schwert und Schild und Helm - endlich wackelt der Schelm.«</blockquote>Sein Interesse an sozialen Belangen, an politischer Kunst in dem Sinne, dass es ihm um eine nicht-elitäre Kunst in der städtischen Öffentlichkeit geht, die sozusagen jedem zugänglich ist, zeigt sich in vielen öffentlichen Platz-, Brücken-, Park-, Schul- und Friedhofs-Skulpturen sowie Gestaltungen etlicher, nach dem Krieg abgeputzter Berliner Altbaufassaden. Am bekanntesten sind seine vier Bärenskulpturen auf der Moabiter Brücke. Seine Brunnengestaltung für die Frauenhaftanstalt am Friedrich-Olbricht-Damm zeugt von Anlaufs sozialem Anliegen. Helmut Börsch-Supan formuliert dazu:<blockquote>»Durch den Verzicht auf Dämonie und Olympiertum gewinnt sie (Anlaufs Kunst) einen sozialen Charakter in dem ursprünglichen Wortsinn, daß sie Verbindungen knüpft. Hier ist beste Berliner Bildhauertradition zu spüren: etwas vom Geiste Johann Gottfried Schadows.«</blockquote></span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Immer wieder wird in Anlaufs Œuvre der Witz, die Ironie hervorgehoben. Der Humor stellt sicherlich den Hauptzusammenhang seines Werkes her. Aber es hat auch religiöse Seiten. So schuf Anlauf 1980 einen zwölfteiligen Bronzekreuzweg, der von fast unschuldig-naiver Frömmigkeit geprägt ist. Er schuf Grabmale von kindlicher Ratlosigkeit, so den Stein für Günter Bruno Fuchs.</span></div><br /><br /><a href="http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9b/G%C3%BCnter_Anlauf-grave-Mutter_Erde_fec.jpg"><img style="MARGIN: 0px 0px 10px 10px; WIDTH: 230px; FLOAT: right; HEIGHT: 327px; CURSOR: hand" border="0" alt="" src="http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9b/G%C3%BCnter_Anlauf-grave-Mutter_Erde_fec.jpg" /></a><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Das Komische in seinem Werk kommt nie auftrumpfend oder besserwisserisch daher, nie mit dem scharfen Schwert des Sarkasmus, sondern entwaffnend, von einer früheren Entwicklungsstufe des Menschen her denkend und gestaltend. Kopffüßler, Mondgesichter, phantastisch-geklitterte Tierfiguren, Ornamente, die zu Eulen werden, Stiere, die zu Möbelblöcken werden, Maskengesichter, Sprachspielereien, sich küssende Schildkröten aus Stein, eine Bodenskulptur, die sich plötzlich zu Mund und Nase formt - all das entspricht den kindlich-spielerischen Aneignungen der Wirklichkeit.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Sogar Anlaufs Tod hat noch ein Lächeln. Sein Grab auf dem Friedhof Heerstraße ist mit seiner eigenen Arbeit geschmückt, die bereits 1968 unter dem sprachspielerischen Titel »Popocapitel« enstand. Das Kapitell auf seinem eigenen Grab als Popo, als dicke, angenehm regressiv wirkende Sehnsuchtskugel, der es gelingt, bevor die Assoziationen platt zu werden beginnen, sich in eine Eule zu verwandeln - soviel Weisheit kann im Witz, im Spiel verborgen liegen.</span></div><br /><br /><small>Foto: © <a href='http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%BCnter_Anlauf' target=_blank>www.wikipedia.de</a></small>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8314955925963647250.post-15949585683069769572010-12-06T09:52:00.009+01:002010-12-06T10:42:40.085+01:00Berliner Bären<table class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TPyp3V7LzfI/AAAAAAAAADQ/pbidWUT9sSE/s1600/Sintenis-Baer.jpg" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}"><img alt="" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5547495609256889842" src="http://3.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TPyp3V7LzfI/AAAAAAAAADQ/pbidWUT9sSE/s200/Sintenis-Baer.jpg" style="cursor: pointer; float: right; height: 280px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 202px;" border="0" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"><div class="MsoNormal" style="font-family: Georgia,'Times New Roman',serif; line-height: 200%; text-align: left;">Renée Sintenis: <i>Berliner Bär</i><br />auf dem Mittelstreifen <br />der Autobahn südlich des <br />ehemaligen Kontrollpunkts <br />Dreilinden</div></td></tr></tbody></table><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Der Reisende, der sich Berlin auf der Autobahn nähert, trifft an der nördlichen, der südlichen und der östlichen Stadtgrenze auf je einen Berliner Bären. Wer von Süden oder Westen kommt, sieht auf dem Mittelstreifen der Autobahn 115 an der ehemaligen Grenzübergangsstelle Dreilinden einen schreitenden Bären, geschaffen von der Bildhauerin Renée Sintenis. Diese Bronzeskulptur wurde 1957 aufgestellt und erfreut sich im Kleinformat großer Prominenz, da eine versilberte bzw. vergoldete Miniatur dieser Skulptur jedes Jahr den Preisträgern der Internationalen Filmfestspiele Berlinale verliehen wird. Nach der Wende wurde auf dem Mittelstreifen der östlichen Autobahn 113 kurz vor dem Tunnel Altglienicke ein Abguss des Renée-Sintenis-Bären von Dreilinden aufgestellt.</span></div><br /><table class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="http://3.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TPysJ-7BuDI/AAAAAAAAADY/u98pvAbggW0/s1600/11-10%2BAnlauf%2BAutobahnb%25C3%25A4r.JPG" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}"><img alt="" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5547498128522983474" src="http://3.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TPysJ-7BuDI/AAAAAAAAADY/u98pvAbggW0/s200/11-10%2BAnlauf%2BAutobahnb%25C3%25A4r.JPG" style="cursor: pointer; float: right; height: 202px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 280px;" border="0" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"><div class="MsoNormal" style="font-family: Georgia,'Times New Roman',serif; line-height: 200%; text-align: left;">Günter Anlauf, 1983<br />Berliner Bär auf der Autobahn 111</div></td></tr></tbody></table><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Wer auf der Autobahn 111 von Norden kommt, trifft an der Stadtgrenze zwischen Stolpe Süd und Schulzendorf, am ehemaligen Grenzkontrollpunkt Stolpe-Heiligensee auf einen sitzenden Bären, der zierlich sein Beinchen vom Berlin-Sockel herunterhängen lässt. Dieser Bär wurde im Jahr 1983 vom Bildhauer Günter Anlauf geschaffen.</span></div><br /><table class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;" align="center" cellpadding="0" cellspacing="0"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="http://1.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TPyttWNdufI/AAAAAAAAADg/vcZT5YkUclI/s1600/Grabstein.Wilhelm.Kuhnert.jpg" onblur="try {parent.deselectBloggerImageGracefully();} catch(e) {}"><img alt="" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5547499835581381106" src="http://1.bp.blogspot.com/_94mLpTBfs0U/TPyttWNdufI/AAAAAAAAADg/vcZT5YkUclI/s200/Grabstein.Wilhelm.Kuhnert.jpg" style="cursor: pointer; float: right; height: 202px; margin: 0pt 0pt 10px 10px; width: 280px;" border="0" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;"><div class="MsoNormal" style="font-family: Georgia,'Times New Roman',serif; line-height: 200%; text-align: left;">Grabstein Wilhelm Kuhnert<br />auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf<br /><span style="font-size:xx-small;">Foto: © www.wikipedia.de</span></div></td></tr></tbody></table><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Beide Künstler sind auf Berliner Friedhöfen beerdigt, Renée Sintenis im Jahr 1965 auf dem Waldfriedhof Berlin Dahlem, Günter Anlauf im Jahr 2000 auf dem Friedhof Heerstraße. Beide Künstler sind vor allem durch die Gestaltung von Tierplastiken hervorgetreten. Und, was hier entscheidend ist, beide Künstler stammen aus Schlesien. Renée Sintenis wurde 1888 im schlesischen Glatz, Günter Anlauf 1924 in Großhartmannsdorf/Landkreis Bunzlau geboren. Nach eigenen Angaben wurde bei ihm schon in der Schule mit dem guten Bunzlauer Ton modelliert, woher sein Hang zum Plastischen und Ornamentalen rühre. Im nächsten Blogeintrag werden wir mehr über Günter Anlaufs Tier-Figuren in Berlin hören. Renée Sintenis wird im Buch Erwähnung finden. Hier ist es wichtig festzuhalten, dass die beiden Künstler einen schlesischen Vorläufer hatten: den 1865 aus Oppeln stammenden Friedrich Wilhelm Kuhnert, berühmtester Tiermaler um 1900. Nachdem dieser von Schlesien nach Berlin gezogen war und dort seine künstlerische Ausbildung absolviert hatte, unternahm er von Berlin aus Reisen in den Norden, nach Ägypten, Ostafrika und Indien, um Landschafts- und Tierstudien vorzunehmen. Anders als seine Kollegen zeichnete er die exotischen Tiere nicht in den Zoos, sondern nach der freien Natur. Zum berühmten zoologischen Werk "Thierleben der Erde" (1901) von Johann Wilhelm Haacke schuf Kuhnert die lebensechten Illustrationen. Sein Lieblingsmotiv waren allerdings nicht Bären, sondern afrikanische Löwen. So, wie der Berliner Pferdemaler Franz Krüger "Pferde-Krüger" genannt wurde, trug Kuhnert seine Leidenschaft für Löwen den Beinamen "Löwen-Kuhnert" ein. Auf seinem Findlingsgrabstein aus dem Jahr 1926 auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf ist ein erschöpft liegender Löwe als Reliefarbeit zu sehen.</span></div><br /><div class="MsoNormal" style=";font-family:Georgia,';"><span style="line-height: 200%;font-size:small;" >Die Leidenschaft für Tiere, für ihre Bewegungen, für ihre körperliche Ausdruckskraft war auch für Renée Sintenis und Günter Anlauf ein Motor ihres Schaffens. Es mag Zufall sein, dass es ausgerechnet zwei aus Schlesien stammende Künstler sind, deren Bärenskulpturen die Stadt Berlin wie mit einer Klammer einrahmen. Aber es ist ein schöner Zufall.</span></div><br /><div style="font-family: Georgia,';"><span style="font-size: small;"><i>Fortsetzung am kommenden Donnerstag.</i></span></div>Roswitha Schiebhttp://www.blogger.com/profile/16651908082700638029noreply@blogger.com1