Ohne Adolph Menzel wäre Friedrich der Große nicht denkbar. Oder anders ausgedrückt: den Friedrich, den wir heute zu erinnern meinen, hat Menzel durch seine Bilder erst erzeugt. Sie stehen zwischen uns und der historischen Figur, der die Bilder zur zweiten Haut geworden sind. Dass sie auch heute noch diese Wirksamkeit entfalten, liegt an ihrer Komplexität, ihrer atmosphärischen Dichte, an ihrem subtilen Witz, an ihrem Gestus der Hochschätzung Friedrichs, der ohne plumpes Pathos auskommt. All das wird im Buch ausführlich untersucht. Darin wird auch der Versuch unternommen, die Frage zu beantworten, warum es ausgerechnet immer wieder Schlesier, also Künstler und Schriftsteller aus Schlesien waren, die die Mythisierung Friedrichs betrieben haben. Dass der aus Breslau stammende Menzel dabei am differenziertesten vorgeht, macht seine Friedrich- und Preußenbilder, von denen einige in der Nationalgalerie hängen, bis heute sehr sehenswert und hält sie frisch.
Etwas anders sieht es da mit dem eine Generation später im schlesischen Glogau (1857) geborenen Richard Knötel aus. Knötel gilt als bedeutendster deutscher Historienmaler. Während seines Studiums an der Berliner Akademie wandte er sich der Geschichte des Militärs zu. Er illustrierte etliche militärische Werke, so die Abhandlung »Die preußische Armee von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart« (1883) oder das Militärbilderbuch »Die Kriegsheere Europas« (1888). Neben vielen Schlachtengemälden und dem Quellenwerk zur Uniformkunde in 18 Bänden hinterließ er zwei Erbauungsbücher: »Der alte Fritz in 50 Bildern für Jung und Alt« (1895) und »Die Königin Luise« (1896). Sie sind zeittypisch »Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser und Könige von Preußen in tiefster Ehrfurcht gewidmet«. Im Gegensatz zu Menzel ist Knötels Auffassung Friedrichs II. holzschnittartig: so ist er dargestellt als gutes, hilfsbereites Kind, als stolzer König, als ewiger Sieger der schlesischen Kriege, zwischendurch als heroisches Genie, das nach einer Niederlage umso strahlender wieder zu siegen versteht. So wie Königin Luise zu einer säkularen Mutter Maria stilisiert wird, wächst Friedrich auf dem Blatt »Bei Burkersdorf« zu einem säkularen St. Martin an, wenn er einem verletzten Soldaten ein Tuch reicht mit den Worten: Du bist verwundet, mein Sohn, verbinde dich damit!
Die menschlichen Züge, die Knötel Friedrich beigibt, wirken naiv und süßlich, das Pathos eindimensional, die Verehrungshaltung devot. Derartige affirmative Prachtbände und Volksausgaben waren für die unangenehme Vereinnahmung Friedrichs II. während der Kaiserzeit und später während der NS-Zeit sehr viel entscheidender als das vielschichtige Bild Friedrichs, das Menzel hinterließ und das zu Unrecht nach dem Zweiten Weltkrieg der Preußenapotheose geziehen wurde, die direkt ins Unheil führen musste. Das letzte größere Illustrationswerk Knötels, »Die Befreiungskriege«, erschien im Jahr 1913 ein Jahr vor seinem Tod. Pünktlich zur Jahrhundertfeier, so auch in der Jahrhunderthalle in Breslau, lag dieser Band vor, zur Feier der patriotischen Eruption, zur Feier der psychologischen Kriegsvorbereitung kurz vor dem Ersten Weltkrieg.
Heute ist Richard Knötels Werk Vergangenheit, Adolph Menzels Werk aber immer wieder frischeste Gegenwart.
Fortsetzung am kommenden Donnerstag.
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